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Kulinarik in Kärnten: Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause

Ostern in Kärnten, das ist ein Gefühl von Geborgenheit und ein Geschmack der Kindheit. Es geht ums Ankommen und ums Heimkommen, um Zeit für Familie und Zeit fürs Festessen. Im Mittelpunkt steht der Reindling, der mit Schinken und Kren die kulinarische Kärntner Dreifaltigkeit verkörpert: süß, salzig, scharf. Eine Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause.


Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause ♥ Lesezeit: 6 Minuten


Mit Unterstützung vom Land Kärnten durch ein Arbeitsstipendium für freiberufliche Künstler*innen und freischaffende Wissenschaftler*innen


Die Gretchenfrage in Kärnten dreht sich zu Ostern nicht um Religion, obgleich es das höchste Fest im Kirchenjahr ist. Im südlichsten Bundesland Österreichs ist die Frage eine andere. Hätte Johann Wolfgang von Goethe seinen „Faust“ nämlich nicht in der Nähe von Weimar und Leipzig spielen lassen, sondern in Kärnten, hätte Gretchen Faust mit einer anderen Frage konfrontiert; einer Frage, die das Bundesland seit jeher spaltet: „Nun sag, wie hast du’s mit dem Reindling?“

Kärnten für alle Sinne (Teil 4): Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause
Foto: Sabrina Öhler / Die Storytellerin

Osterschinken, Hauswürste, Schweins- oder Rindszunge, Kren und gefärbte Ostereier: Das sind die traditionellen Bestandteile der Kärntner Osterjause. Mittendrin thront der Reindling, stolz duftend, mit zuckriger Kruste und vielversprechender Fülle. Er ist die Basis, er stellt die Gretchenfrage, egal ob Kärnten-Urlaubern oder Kärntner Urgesteinen: „Isst du mich zum Schinken oder erst danach?“ Denn in Kärnten ersetzen viele bei der Osterjause das Brot durch den Reindling – und lassen sich auf eine kulinarische Reise ein, die salzig, süß und scharf zugleich ist.

Kärntner Osterjause: Ohne Reindling geht gar nix

Ein Reindling sieht auf den ersten Blick aus wie ein typischer Gugelhupf, doch hinter dem Kärntner Gebäck steckt eine lange Geschichte und jahrhundertealte Traditionen. Schon seit dem 16. Jahrhundert kommt er hier auf den Tisch, und nicht nur hier: Auch im slowenischen Raum ist er bekannt und wird als Phača, Pogača bzw. Pohača gegessen. Ursprünglich war der Reindling ein gesüßtes Weißbrot, das meist mit Fenchel in einem „Schartl“, einer flachen Röstpfanne, gebacken wurde.

Kärnten für alle Sinne (Teil 4): Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause

Später wurde die Rezeptur häufig ergänzt: mit Birnmehl (gestoßene, getrocknete Birnen), Karobemehl (Johannisbrotmehl), Schwarz- und Preiselbeeren, geriebenen Nüsse, grob gemahlenem Zucker oder Honig, gehackten Zirbennüssen, Dörrzwetschken oder Kletzen (in der Schalte getrocknete Birnen). Klar war eines: Der Reindling kam als kulinarisches Highlight zu besonderen Anlässen auf den Tisch, denn früher bestand der Speiseplan in den Kärntner Dörfern zumeist aus Mehlsuppe, Polenta, Türkensterz und Hirsebrei. Das erste Rezept eines Reindlings fand man übrigens 1910 im Kochbuch von Maria Ortner, einer Wirtin aus Bad Kleinkirchheim.

Kärntner Osterjause: Traditionen rund um den Reindling

Heute gehört der Reindling zum Alltag der Kärntner. Er ist das ganze Jahr über erhältlich, doch zu Ostern schmeckt er einfach am besten. Seinen Namen hat er übrigens aufgrund seiner Form bzw. der Form, in der er gebacken wird: der „Rein“. Alte Reindlingformen waren meist aus Ton und hatten in der Mitte manchmal eine Ausbuchtung, aber niemals ein Loch. Die meisten Formen waren zudem mit christlichen Symbolen verziert.

Kärnten für alle Sinne (Teil 4): Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause

Heute bäckt man den Reindling vorwiegend in Gugelhupfformen, passionierte Reindling-Bäcker nehmen aber noch immer ein Reindl aus gebranntem Ton. Klar ist: Der Original Kärntner Reindling hat kein Loch in der Mitte. Aber was steckt nun alles in einem Reindling? Die Rezepte werden von Generation zu Generation weitergegeben. Für den Germteig gibt es zwar eine genaue Rezeptur, die Fülle wird jedoch meist nach Gefühl bzw. Geheimrezept zubereitet. In Spiel kommen meist Zucker oder Honig, Rosinen und Zimt, manchmal auch Nüsse, Anis, Rum, gehackte Feigen oder Äpfel.

Kärntner Osterjause: Variationen vom Reindling 

Bei der Gretchenfrage, ob der Reindling nun zur würzigen Osterjause passt, scheiden sich in Kärnten die Geister. Was für die einen selbstverständlich ist, ist für die anderen grauslig. Und so sitzen die Familien um den üppig gedeckten Ostertisch und futtern so, wie es jeder mag. Wer sich nicht traut, den süßen Reindling zum Schinken zu essen, greift stattdessen zu Brot; fix ist jedoch, dass der Reindling spätestens zum Kaffee gegessen wird.

Kärnten für alle Sinne (Teil 4): Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause

Denn Glaubensfrage hin oder her: Gegessen wird der Reindling immer. Für Anfänger in Sachen Kärntner Osterjause gibt es übrigens eine gute Nachricht: Der Reindling existiert in verschiedenen Formen, deren Fülle und Süße variiert. Der „W(o)azan“ ist beispielsweise nur marginal gesüßt und ungefüllt, die Osterpinze viel weniger gefüllt als ein Reindling. Und wer sich gar nicht traut, der greift zu Brot – denn auch das hat in Kärnten eine lange Tradition, die heute mehr denn je wiederbelebt wird.

Kärntner Osterjause: Brot statt Reindling 

Das Ziel? Richtig gutes Brot zu backen, nach traditionellen Herstellungsmethoden und mit qualitätsvollem, gemahlenen Korn aus der Heimat. In Kärnten hat vor allem Roggenbrot Tradition, das ist der Lage geschuldet. Roggen gedeiht nämlich bis auf viele Höhenmeter und überlebt auch in kalten und kargen Gegenden. In Kärnten haben sich zehn Brothandwerker unter Obmann Martin Wienerroither – übrigens Kärntens einziger Brotsommelier – zu einer Vereinigung zusammengeschlossen.

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„Die Brothandwerker“ wollen die kärntenweite Initiative von Slow Food in die Backstuben bringen. Martin Wienerroither selbst isst zum Osterschinken übrigens Brot und keinen Reindling. Umgekehrt geht es bei Martin Vallant zu. Der Brothandwerker, der auf Urgetreidesorten wie Emmer, Waldstaudenroggen und Einkorn spezialisiert ist, ist in Kärnten auch sehr bekannt für seine Reindlinge. In seiner Familie kommt gar kein Brot auf den Tisch, dafür Reindling, W(o)azan und Osterpinze.


Video: Kärntner Osterjause

Idee & Konzept: Ute Zaworka & Michael Hartenberger / www.kaernten.at
Foodstyling: Florentina Klampferer / https://www.storiesonaplate.com
Video & Fotos: Sabrina Öhler / http://www.sabrinaoehler.at
Make-up & Haare: Mary Galler / https://www.blend-secrets.com

Kärntner Osterjause: Schinken direkt vom Bauern

Auf die Frage, wo man in Kärnten den besten Osterschinken bekommt, ist die Antwort eindeutig uneindeutig. Die Slow-Food-Experten nennen keinen Namen, sind sich aber einig: Richtig gut schmeckt’s nur bei lokalen Erzeugern und wenn der Schinken wirklich heimisch produziert wird. Am besten kauft man deshalb beim Fleischhauer des Vertrauens, am nächstliegenden Bauernmarkt, in Hofläden oder direkt beim Bauern. Zum Beispiel in Bleiburg, ganz nahe an der slowenischen Grenze gelegen. Hier krönt man schon seit 2002 jedes Jahr kurz vor Ostern den „Schinkenkaiser“, deshalb ist Region eine gute Adresse, um sein Osterkörberl zu füllen.

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Foto: Bleiburg Tourismus

Denn ein altes Sprichwort in Bleiburg lautet auch: „Zu Ostern musst du sieben Mal Schinken essen“. Das geht auf die Tradition zurück, dass man an den Feiertagen zu Ostern die Familie besucht – und quasi auf Osterschinken-Ralley geht. Der Schinken für den Ostertisch ist in Kärnten geräuchert und kommt meist von den hinteren Teilen des Schweins: von der Keule, dem Schlegel oder aber auch von der Haxe. Den besonderen Geschmack bekommt er durch die Zubereitung. Das Fleisch wird erst mit einer Mischung aus Salz und Kräutern eingerieben und kommt dann in eine Salzlacke, damit das Fleisch durchziehen kann. Dort bleibt es einige Wochen, bis es geräuchert und final gekocht wird. Die genaue Rezeptur und Zubereitung bleibt das Geheimnis eines jeden bäuerlichen Betriebes. 

Kärnten für alle Sinne (Teil 4): Liebeserklärung an die Kärntner Osterjause

Kärntner Osterjause: Traditionen für die Familie

Auch das macht den Zauber von Ostern aus: Geheimnisse in der Zubereitung genauso wie das Geheimnis, wo der Osterhase die Geschenke für die Kinder versteckt hat. Denn abseits von der Osterjause spielen auch Traditionen eine große Rolle in Kärnten: Wer am Palmsonntag als letzter aufsteht, ist der Palmesel; wer am Ostersonntag als erster aufsteht, das Osterlampli, und der letzte das Bauchwehlampli. Vor der Osterjause steht in vielen Familien nicht nur der Kirchgang und die Fleischweihe auf dem Programm, viele schwören noch auf alte Traditionen und gehen mit ihren Palmbuschen drei Mal ums Haus. Das soll das Böse vom Haus fernhalten.

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Kärntner Osterjause: Brauchtum im Süden Österreichs

Am Ostersamstag zieht es am Abend viele ins Freie – zu den berühmten Osterfeuern, die quer durchs Bundesland veranstaltet werden. Lustig geht es auch beim Eiertutschn, Eierpecken und Eierchecken – die Dialektbegriffe variieren hier – zu: Mit einem Geldstück wird nach einem Osterei geworfen oder die Eier Spitze gegen Spitze und Boden gegen Boden gestoßen. Sind die Eier dann im wahrsten Sinne des Wortes angeschlagen, hat man wenigstens wieder einen Grund, weiterzuessen. Die Bleiburger haben es uns ja beigebracht: „Zu Ostern musst du sieben Mal Schinken essen“. Da ist dann auch die Gretchenfrage in Kärnten nicht mehr so wichtig bzw. wird nicht mehr nach dem Wie, sondern nach dem Wann gefragt: „Nun sag, wann hast du’s wieder mit dem Reindling?“


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Im Süden Österreichs, zwischen Großglockner, Wörthersee und Karawanken, wartet hinter jedem Berg, jeder Weggabelung und jeder Flussschleife eine neue Geschichte. Kärnten hat keine Meere und Wüsten, dafür aber Berggipfel und Badeseen, einsame Täler und urwüchsige Natur. Ob wandern, radeln, paddeln oder in aller Ruhe die Natur genießen: „52 kleine und große Eskapaden in Kärnten“ machen Lust darauf, Kärnten neu zu entdecken. 

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