Einst war die Kletzenbirne ein wichtiger Vitaminlieferant in harten Wintermonaten. Heute sind die Obstbäume mit den weißen Blüten auf den Kärntner Streuobstwiesen seltener zu sehen, die gedörrte Frucht ist aber nachwievor ein wesentlicher Bestandteil der Kärntner Küche. 2022 wurde die Kletzenbirne sogar als neues Slow Food Presidio etabliert.
Gerichte mit Geschichte: Kletzennudeln aus Kärnten ♥ Lesezeit: 5 Minuten
Mit Unterstützung vom Land Kärnten durch ein Arbeitsstipendium für freiberufliche Künstler*innen und freischaffende Wissenschaftler*innen
Wenn im Frühjahr weiße Blüten die Landschaften des Alpe-Adria-Raumes prägen, handelt es sich um den heimlichen Hauptdarsteller der Streuobstwiesen. Bekannt als „Kletzen“, „Clôze“ oder „Kloatschen“ ist die Kletzenbirne weithin bekannt im Gailtal im Süden Kärntens, in der karnischen Region im italienischen Friaul und im Soča-Tal im angrenzenden Slowenien.
Die Geschichte der Kletzenbirne
Seit Jahrhunderten wird die Kletzenbirne im Alpe-Adria-Raum kultiviert. Die getrockneten Früchte dienten einst als „Zuckervorrat“ im Winter. Bereits im Mittelalter schilderte Santonino, der Sekretär des Patriarchen von Aquilea, anlässlich einer Reise durch das Drautal, wie sehr die Frucht geschätzt wurde. Zu Zeiten der Donaumonarchie wurde die Kletzenbirne sogar für den Wiener Markt produziert. Bei den Früchten handelt es sich zumeist um alten Sorten. Es gibt bis zu zwanzig verschiedenen, unter anderem die Rote Pichlbirne, die Speckbirne und die Weinbirne. Gemeinsam haben sie einen hohen Zuckergehalt, ein festes Fruchtfleisch und das kleines Format. Jährlich sind bis zu 1.000 Kilogramm Ertrag pro Baum möglich.
Die weißen Blüten im Frühjahr sind der erste Schritt im Kreislauf der Kletzenbirne. Nach der Ernte im Herbst wird aus den Früchten die Kletze: die getrocknete Birne. Diese ist die Basis für viele Kärntner Spezialitäten, allen voran die Kletzennudeln. Kärntner Nudeln sind weit über die Grenzen des Landes bekannt. Es gibt sie mit unterschiedlichen Füllungen als Kasnudel, Fleischnudel, Erdäpfelnudel und vielen mehr – und in der süßen Variante eben als Kletzennudeln. Typisch ist auch ein Kletzenbrot aus Roggenmehl mit Walnüssen und Gewürzen. In Friaul wird die Ravioli-Variante Cjarsons mit einer Füllung aus verschiedenen Kräutern, Spinat, Rosinen und Kletzen zubereitet. Im slowenischen Socatal kommt zu Weihnachten Bovški Krafi auf den Tisch. Dafür werden Dörrbirnen gekocht zerdrückt, mit Maismehl, Röstzwiebeln, gemahlenen Walnüssen und Rosinen vermischt und mit Zucker und Rum abgeschmeckt.
Kulturgut Kletzenbirne & Kletzennudeln
In früheren Jahrhunderten war die Kletzenbirne ein wichtiger Vitaminlieferant in harten Wintermonaten. Heute sind diese Bäume nur mehr selten zu finden, denn der Kreislauf der Kletzenbirne ist kein einfacher. Die Früchte werden nicht wie Speisebirnen gepflückt. Man muss warten, bis sie vom Baum fallen und sie nach und nach einsammeln. Das ist ein Vorgang, der sich von September bis in den Oktober zieht. Danach braucht es Zeit für die Nachreifung bis zu einem Stadium, das in Kärnten als „Mohle“ bezeichnet wird: Die Frucht muss außen noch kompakt, innen jedoch matschig sein. Anschließend werden die Früchte gedörrt, eingemaischt oder destilliert. Das Dörren hat seit Jahrtausenden Tradition. Hierfür werden die reifen Früchte im Ganzen in einem Dörr-Ofen bei sechzig bis siebzig Grad über einen Zeitraum von achtzehn Stunden getrocknet. Erst dann ist die Kletze fertig: Die verschrumpelten Kletzenbirnen haben nun ihr typisches Aroma und weiches Fruchtfleisch.
Im Rahmen einer Forschungsarbeit an der BOKU Wien beschäftigte sich der Osttiroler Philipp Bodner mit der Gailtaler Kletznbirne. „Wo früher pro Hof mehrere Kletzenbirnbäume zu finden waren, steht heute meist nur mehr einer“, so der Experte. Dass nach wie vor Kletzenbirnbäume gefällt werden, hat mehrere Gründe. Die überreifen, im Gras liegenden Birnen sind vielen Obstgartenbesitzern lästig, außerdem ist Birnenholz ist ein gesuchter Rohstoff. Um dem entgegenzuwirken, gibt es das erste, grenzüberschreitende Slow Food Presidio. So sollen alte Sorten in Baumschulen nachgezogen, Sortengärten angelegt und alte Bäume durch einen gezielten Schnitt revitalisiert werden.
Slow Food Presidio Kletzenbirne
Presidi sind Projekte, die von der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt betreut werden, um lokale und handwerkliche Lebensmittel zu schützen und deren Erzeuger zu unterstützen. 2022 konnte sich die Kletzenbirne als neues, grenzüberschreitendes Slow Food Presidio etablieren. Initiator hierfür ist der Gailtaler Bio-Bauer Leopold Feichtinger, der auch Biologe ist. „Ich habe versucht, mit dieser Initiative wieder Kletzen zu produzieren, sie in Nutzung zu bringen und somit zu schauen, dass wir die Bäume erhalten können.“ Auf seinem Biohof gibt es noch sieben Kletzenbirnenbäume mit fünf verschiedenen Sorten, die schon seit mehr als hundert Jahren hier stehen. Das Slow Food Presidio arbeitete ein Jahr daran, den gesamten Baumbestand im Gailtal zu erheben und zu kartieren. Rund hundert Bäume wurden aufgespürt. „Wir möchten Bewusstsein für dieses Produkt schaffen“, sagt Leopold Feichtinger. „Das Presidio ist offen für neue Produzenten. Je mehr Leute mitmachen, desto höher die Erfolgsquote.“
Links & Lesetipps
- Rezept Kletzennudeln
- Slow Food Presidio
- Slow Food Travel Workshops
- Biohof „Echt krass“
- Kochbuch „Kärntner Küche: Die klassischen Rezepte“
- Kochbuch „Traditionelle Küche Kärnten: Die besten Hausrezepte der Region“
Mein Kärnten-Reiseführer:
„52 kleine und große Eskapaden in Kärnten“
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Im Süden Österreichs, zwischen Großglockner, Wörthersee und Karawanken, wartet hinter jedem Berg, jeder Weggabelung und jeder Flussschleife eine neue Geschichte. Kärnten hat keine Meere und Wüsten, dafür aber Berggipfel und Badeseen, einsame Täler und urwüchsige Natur. Ob wandern, radeln, paddeln oder in aller Ruhe die Natur genießen: „52 kleine und große Eskapaden in Kärnten“ machen Lust darauf, Kärnten neu zu entdecken.
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