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Marende: Geschmack und Geschichte der berühmten Zwischenmahlzeit im Ötztal

Kamen die hart arbeitenden Ötztaler einst nach einem langen Tag nach Hause, stärkten sie sich mit einer Marende: einer Zwischenmahlzeit, die ihnen neue Energie schenken sollte. Heute ist eine Marende der kulinarische Höhepunkt im Urlaub im Ötztal, dem längsten Seitental Tirols. Ein Besuch im Heimatmuseum auf den Spuren des Geschmacks und der Geschichte einer Marende.


Marende: Geschmack und Geschichte der berühmten Zwischenmahlzeit im Ötztal ♥ Lesezeit: 5 Minuten


Es riecht würzig nach Holz. Der Boden knarrt bei jedem Schritt, der Türstock ist so niedrig, dass man den Kopf einziehen muss. Als sich die Tür öffnet, fällt zartes Licht fällt in den dunklen Raum. In Sekunden setzen sich schemenhafte Umrisse zu einem großen Ganzen zusammen – und man meint, durch die Zeit gepurzelt zu sein. 

Bäuerliches Alltagsleben

Die Rauchkuchl im Heimatmuseum Ötztal im Längenfelder Ortsteil Lehn ist nur einer von vielen Räumen, die eine einzigartige Dokumentation der Ötztaler Kultur- und Alltagsgeschichte darstellt. Auf dem Museumsareal gibt es 16 historische Gebäude, die den Besuchern das bäuerliche Alltagsleben in den Jahrhunderte alten Bauernhäusern von einst vermitteln. Das Herzstück der Rauchkuchl ist ein Holztisch, der so gedeckt ist, wie es früher üblich war: Alles steht bereit für die Marende. Der Begriff leitet sich von dem mittellateinischen Begriff „merenda“ ab.

Das Verb „merere“ bedeutet „verdienen“ und meint etwas, „das man sich verdienen muss“. Wenn die hart arbeitenden Ötztaler nach einem langen Tag nach Hause kamen, hatten sie sich wirklich ihre Marende verdient: eine Zwischenmahlzeit, die meist zwischen 16 und 17 Uhr eingenommen wurde und abseits der Hauptmahlzeiten neue Energie schenken sollte. Die Marende hat ihren Ursprung in Nordtirol, Südtirol und Vorarlberg. 

Marende im Ötztal

Essen im alten Ötztal 

Wer heute im Ötztal Urlaub macht und eine Marende bestellt, wird mit einem üppig belegten Jausenbrett beglückt: Neben Brot, Käse und Butter spielen vor allem Tiroler Speck und Kaminwurzen die Hauptrolle. Früher war das anders. Da gab es lediglich Brot, Käse, Milch und eventuell Kartoffeln, da Speck und Fleisch nur den wohlhabenderen Bauern zugänglich waren. „Einst gab es im Ötztal vorwiegend kleine Landwirtschaften. Die Menschen lebten in einfachen Blockhäusern mit kleinen Fenstern. Man nannte sie Kleinbauern oder Kleinhäusler“, erzählt Laura Kogler, die Europäische Ethnologie in Innsbruck studiert und als Kulturvermittlerin bei den Ötztaler Museen arbeitet.

In den Sommermonaten führt sie durch das Heimatmuseum und erzählt spannende Geschichten über das „Essen im alten Ötztal“. Dabei behandelt sie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Ötztal, betrachtet über die Ernährungsgeschichte der Region. „Die meisten hielten Kleintiere wie Schafe, Ziegen und Hühner. Wer eine Kuh hatte, galt schon als gut situiert. Dementsprechend waren Milchprodukte die wichtigsten Grundnahrungsmittel.“

Marende im Ötztal

Brotbacken im Heimatmuseum 

Wenn Laura Kogler mit ihren Besuchern über das Museumsareal schreitet, werden sie manchmal von einem würzigen Duft begleitet. Jeden zweiten Freitag steht Museumswart Christian Holzknecht vor dem historischen Ofen im Heimatmuseum und bäckt Brot nach alter Art. Früher nutzten fünf Familien den alten Brotbackofen und bereiten Ötztaler „Breatlen“ zu, kleine Brote aus einer Mischung von Roggen- und Weizenmehl. „Dabei war der Anbau von Getreide schwierig im Tal“, erklärt Laura Kogler. „Da die Böden karg waren, war es schwer, sie zu bestellen. Je weiter es ins Tal hineinging, desto weniger Weizen wurden wegen der Temperatur und der Höhe angebaut und desto seltener war Brotbacken. Es gibt aber historische Belege für Getreidemühlen im Ötztal. Gersten und Roggen spielten eine Rolle, auch Mais und teilweise Kartoffeln.“

Marende im Ötztal

Traditionelle Marende

Der Speiseplan der Ötztaler Kleinbauern war karg. Man lebte bescheiden und genügsam und baute nur an, was man zum Überleben brauchte. „Eier, Schmalz oder Butter wurden verkauft oder getauscht gegen Zucker, Salz oder Petroleum; eben jene Dinge, die man nicht hatte“, erzählt Laura Kogler. Fettreiches Essen war besonders wichtig. Deshalb galt Schmalz als Symbol und wurde vorsichtig in getöpferten Gefäßen aufbewahrt. Der Tauschhandel blieb lange wichtig, auch in der Zwischen- und Nachkriegszeit. „Als später die Einkommen stiegen, stieg auch der Fleischkonsum und stärkte die Mittelschicht.“ So wurden über die Jahrzehnte die Zutaten auf dem Marende-Teller ergänzt – und werden heute in den Ötztaler Restaurants traditionell serviert mit frischem Brot, Käse, Speck, Kaminwurzen und Butter. 

Marende im Ötztal

Liebe und Zeit 

Nach dem kulinarischen Rundgang ist es soweit: Museumswart Christian holt seine Ötztaler „Breatlen“ aus dem Ofen. Jeden zweiten Freitag entstehen 160 bis 170 Stück, die man vor Ort kaufen kann. „Die sind fast immer sofort ausverkauft!“ Wer die Tour mitgemacht hat, darf zum Abschluss das frische Brot kosten. „Es ist schön und wichtig, dass man anschließend zusammensitzt und sich über Erfahrungen und Unterschiede austauscht“, sagt Laura Kogler. Für die perfekten „Breatlen“, die Christian Holzknecht nach Gefühl und nicht nach einem starren Rezept bäckt, braucht es seiner Meinung nach vor allem zwei Dinge: „Liebe und Zeit!“

Marende im Ötztal

Rezept Ötztaler Breatlan

Zutaten:

  • 150 g Weizenbrotmehl 
  • 350 g Weizenmehl 
  • 250 g Roggenmehl 
  • 0,50 l Wasser
  • 30 g Hefe
  • 1 EL Salz
  • 1 EL Kümmel (gerieben)
  • 1 EL Brotgewürz
  • 1 EL Brotklee (Boxkornklee)
Ötztaler Breatlan

Zubereitung:

Mehle, Salz und Gewürze in einer Schüssel mischen, restliche Zutaten dazugeben und alles zu einem Teig verarbeiten. Teigschüssel abdecken und mind. 1 Stunde (max. 2,5 Stunden) ruhen lassen. Danach den Teig aus der Schüssel nehmen, kurz durchkneten, in 6 Stücke teilen und zu Kugeln formen. Mit der glatten Seite nach oben auf ein Backblech legen. Mit einem Stofftuch abdecken und nochmal ca. 20 Minuten ruhen lassen. Backrohr auf ca. 210 Grad stellen und 10 Minuten vorheizen. Teigstücke mit Wasser bestreichen und mit einer Gabel einstechen. Brote ca. 35 Minuten backen, danach auf ein Gitter zum Auskühlen legen.


Offenlegung

Dieser Artikel erschien in einer gekürzten Version im ÖTZTAL Magazin 2021/22.

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