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150 Jahre Zentralfriedhof Wien: Es lebe der Zentralfriedhof – und alle seine Toten

Wien wird ein besonderes Verhältnis zum Tod nachgesagt. Der Wiener Zentralfriedhof zählt mit einer Fläche von fast zweieinhalb Quadratkilometern zu den größten Friedhöfen Europas. Dass die Stadt als Metropole des Morbiden gilt, klingt makaber, hat aber einen Grund: Mit rund drei Millionen Verstorbenen, die auf dem Zentralfriedhof Wien ruhen, hat die Hauptstadt Österreichs mehr tote als lebende Einwohner.


150 Jahre Zentralfriedhof Wien: Es lebe der Zentralfriedhof – und alle seine Toten ♥ Lesezeit: 8 Minuten


Gruppe 32A ist die begehrteste. Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Johann Strauss Vater und Sohn, Johannes Brahms, Christoph Willibald Gluck oder Hugo Wolf: Sie alle ruhen in Ehrengräbern auf dem Zentralfriedhof Wien. Ehrengräber gibt es seit dem späten 19. Jahrhundert. Und zwar ausschließlich auf dem Wiener Zentralfriedhof. Damals hatte man beschlossen, den neuen Zentralfriedhof attraktiver zu gestalten, indem man prominente Persönlichkeiten umbettete. Da der Friedhof außerhalb der Stadt lag, war das Interesse der Bevölkerung gering.

Metropole des Morbiden

Denn die Fahrt nach Simmering war weit und mühselig. Im Oktober 1874 schrieb eine Wiener Zeitung: „Eine Stunde Fahrzeit, zwischen Schlachthäusern und Heide und Bauern, und wofür?“ Doch die neuen Ehrengräber änderten alles – und der Friedhof lockte immer mehr Besucher an. Eine der prominenten Persönlichkeiten war Ludwig van Beethoven. Am 23. Juni 1888 wurden seine Gebeine aus dessen Grab im Währinger Friedhof ausgegraben und auf den Zentralfriedhof überführt. Dass er noch im Tode den Standort wechselte, passt irgendwie: Im Laufe seines Lebens hatte er insgesamt 30 Wohnsitze in Wien.

„Der Tod, das muss ein Wiener sein, genau wie die Liab a Französin. 
Denn wer bringt dich pünktlich zur Himmelstür, da hat nur a Wiener das Gspür dafür. 
Der Tod, das muss ein Wiener sein, nur er trifft den richtigen Ton: 
Geh Schatzerl, geh Katzerl, ja was sperrst dich denn ein. Der Tod muss a Weaner sein.“ 

Georg Kreisler: „Der Tod muss ein Wiener sein“

Wien gilt zurecht als Metropole des Morbiden und der Zentralfriedhof als Unikat. Als dieser im Jahr 1874 eröffnet wurde, war er der größte Friedhof Europas. Er entstand aus praktischen Gründen. Als 1785 innerstädtische Friedhöfe aus Platzmangel aufgelöst wurden, beerdigte man die Toten außerhalb der Stadtmauern. Damals verfügte Kaiser Joseph II. in den „Josephinischen Reformen“, dass Friedhöfe innerhalb des Linienwalls, dessen Verlauf dem heutigen Wiener Gürtel entsprach, aufgelassen werden mussten. Stattdessen errichtete man fünf Friedhöfe außerhalb der Stadt: den Sankt Marxer Friedhof, den Hundsturmer Friedhof, den Matzleinsdorfer Friedhof, den Währinger Friedhof und den Schmelzer Friedhof. 

Zentralfriedhof Wien: Geschichte

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Einwohnerzahl Wiens anstieg, beschloss der Wiener Gemeinderat  1863 die Errichtung eines Zentralfriedhofs – außerhalb der Stadt und groß genug, dass er für lange Zeit ausreichen würde. Für die Lage in Kaiserebersdorf entschied man sich, da es eine für einen Friedhof ideale Bodenbeschaffenheit und ebene Lage gab. Nach einem Wettbewerb für die Gestaltung realisierten die Sieger, das Frankfurter Architektenteam Karl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli, ihre Pläne. Nach drei Jahren Bauzeit war der Zentralfriedhof Wien dann errichtet. Er wurde im Laufe seiner Geschichte siebenmal erweitert, zuletzt 1921. Heute zählt er mit einer Fläche von fast zweieinhalb Quadratkilometern und rund 330.000 Grabstellen mit rund drei Millionen Verstorbenen zu den größten Friedhofsanlagen Europas. Größer sind nur der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg und Brookwood Cemetery nahe London. 

„Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten!
Der Eintritt ist für Lebende heut‘ ausnahmslos verboten.
Weil der Tod a Fest heut gibt, die ganze lange Nacht.
und von die Gäst‘ ka einziger a Eintrittskarten bra[u]cht.
Wann’s Nacht wird über Simmering, kummt Leben in die Toten,
und drüben beim Krematorium tan s‘ Knochenmark anbraten.
Dort hinten bei der Marmorgruft, dort stengan zwei Skelete,
die stessen mit zwei Urnen z’samm und saufen um die Wette.“ 

Wolfgang Ambros: „Es lebe der Zentralfriedhof“

Der Zentralfriedhof Wien liegt allerdings nicht im Zentrum der Stadt, wie der Name suggeriert, sondern am südöstlichen Stadtrand in Simmering. Der Vorort gehörte zum Zeitpunkt des Baus noch nicht zum Stadtgebiet und wurde 1892 eingemeindet. Um den Zentralfriedhof zu erreichen, nahmen die Wiener einst die Pferdestraßenbahn, die 1901 von der elektrischen  Straßenbahn abgelöst wurde. Ab dem Jahr 1907 trug diese das  Liniensignal 71. Noch heute führt der Weg zum Zentralfriedhof über die Straßenbahnlinie 71, die sich auch im Wiener Sprachgebrauch ein Denkmal gesetzt hat. „Er hat den 71er genommen“ sagt man in Wien, wenn jemand gestorben ist. Die Linie fährt vier Stationen am Zentralfriedhof an. 

Zentralfriedhof Wien: Friedhofskirche

Der Haupteingang und der Infopoint sind beim Tor 2. Von hier ist die Friedhofskirche bestens zu sehen. 1899 wurde von der Wiener Stadtverwaltung als Betreiber des Friedhofes ein Wettbewerb zur Fertigstellung des Zentralfriedhofes ausgeschrieben. Der Architekt Max Hegele gewann. Von 1908 bis 1911 entstand dann nach seinen Entwürfen die beeindruckende Jugendstilkirche „Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus“. Nach dem Tod Karl Luegers, der von 1897 bis 1910 Wiener Bürgermeister war, entschied die Gemeinde Wien, die Kirche in „Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche“ umzubenennen. 

Vor der Gedächtniskirche liegt die Gruft, in der die verstorbenen Bundespräsidenten Österreichs ruhen. Die Gruftanlage entstand im Jahr 1951 und ist ein vertieftes, mit Schieferplatten ausgelegtes Rondeau. Da die Gruft ursprünglich nur für den 1950 verstorbenen Karl Renner vorgesehen war, steht auf dem Steinsarkophag im Zentrum des Rondeaus nur sein Name. Es heißt, dass er vor seinem Ableben über die Gruft informiert wurde und daraufhin sagte: „Ja, aber nur mit meiner Frau!“ Seitdem werden die Gattinnen der Bundespräsidenten auch hier beigesetzt.

Zentralfriedhof Wien: Prominente Bewohner

Links vom Eingang bei Tor 2 reihen sich die Ehrengräber von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Johannes Brahms und Co. aneinander, in Gruppe 32C ruhen Arnold Schönberg, Hans Moser, Robert Stolz, Theo Lingen und Curd Jürgens. In Gruppe 33G wiederum befinden sich die Gräber von Helmut Qualtinger, Maxi Böhm, Hugo Wiener, Erwin Ringel, Joe Zawinul, Fritz Muliar und Udo Jürgens – eine der meist besuchten Grabstellen des Wiener Zentralfriedhofes. Im Frühjahr 2015 wurde seine Urne in einem weißen Marmor-Konzertflügel zur Ruhe gebettet. Nur wenige Meter weiter hat ein Grabstein die Form einer Katze. Dabei handelt es sich um das Grab von Manfred Deix. Der Grabstein ist ein „Katzenkönig“: ein schwarzer Kater mit Krone, Krawatte und Zigarette im Mund. Der Karikaturist war ein passionierter Raucher – und lebte zeitweise mit bis zu 80 Katzen. 

Ein anderer, der täglich von Fans Besuch erhält, ist Hans Hölzel alias Falco. Zu seinem Begräbnis im Jahr 1998 kamen rund 4.000 Menschen. Noch heute ist sein auffälliges Grab eine Pilgerstätte. Hier stehen eine kreisrunde Panzerglasscheibe mit seinem Abbild in Falkenpose und ein zum Himmel ragender Obelisk, der seinen Höhenflug an die internationale Chartspitze symbolisieren soll. Wer jetzt denkt, dass nur die prominenten Bewohner Wiens die Möglichkeit haben, mit ihren Grabsteinen für Furore zu sorgen, irrt sich. Die Regeln am Zentralfriedhof Wien sind locker. Es gilt: Alles ist erlaubt, solange es pietätvoll ist und niemanden beleidigt.

„Er hat an Abgang g´macht. 
Er hat die Patsch´n g´streckt.
Er hat a Bank´l g´rissn.
Er hat se niedag´legt.
Er hat se d´ Erdäpfel von unt´ ang´schaut.
Er hat se sozusagn ins Holzpyjama g´haut.“ 

Roland Neuwirth: „Ein echtes Wienerlied“ 

Gut zu wissen

Unterwegs auf dem Zentralfriedhof

Orientierung: Bei Tor 2 ist ein Plan des Zentralfriedhofes mit seinen Ehrengräber erhältlich, auch online gibt es einen Übersichtsplan zum Download. Wer will, erkundet den Wiener Zentralfriedhof interaktiv: mit der Hearonymus-App und mit dem Audioguide „Wiener Zentralfriedhof“.

Öffi-Linie: Wer nicht zu Fuß über den Zentralfriedhof Wien gehen will, kann den Bus nehmen. Denn der Friedhof hat seine Öffi-Linie, die Rundlinie ZF, die 2022 an den Start gegangen ist. 19 Stationen werden angefahren – mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Der Bus fährt täglich ab 10 Uhr, die erste Station ist bei Tor 2.

E-Bikes: Wer selbst in die Pedale treten will, kann sich auf dem Zentralfriedhof auch ein E-Bike ausleihen. Neben der „Kurkonditorei Oberlaa“ bei Tor stehen sechs Modelle der Marke Cube, die man buchen kann. Die Leihgebühr für die erste Stunde beträgt 2 Euro, jede weitere 1 Euro.

Joggen: 2019 eröffneten zwei Laufstrecken auf dem Zentralfriedhof. Bei Tor 2 steht eine Übersichtstafel mit den Routen und Infos, die Strecken selbst sind GPS-vermessen und mit Routen ausgeschildert. Diese tragen den Namen „Silent Run“.

Führungen auf dem Zentralfriedhof

Führungen: Regelmäßig finden Führungen über den Zentralfriedhof statt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf friedhofsspezifischen Themen wie „Die Stadt der Toten auf Hamsterpfoten“. Ein einzigartiges Erlebnis sind die Nachtführungen.

Fiaker-Führungen: Eine Besonderheit sind Fiakerführungen über den Zentralfriedhof. Der Standplatz ist bei Tor 2. Die Fahrten sind von März bis November (wetterabhängig) zwischen 10 und 17 Uhr möglich. Ein einziges Fiakerunternehmen in Wien darf diese Fiakerführungen anbieten: Fiaker Wulf.

Fiaker am Zentralfriedhof

Rund um den Zentralfriedhof

Friedhofscafé: Im Jahr 2018 eröffnete auf Initiative der Friedhofsverwaltung erstmals ein Kaffeehaus auf dem Friedhof. Damit ist der Zentralfriedhof Wien einer der wenigen Friedhöfe, auf dem sich ein Kaffeehaus befindet. Die „Kurkonditorei Oberlaa“ befindet sich in einem historischen Pavillon bei Tor 2. 

Bestattungsmuseum: Im Jahr 2014 eröffnete auf dem Zentralfriedhof ein Bestattungsmuseum neben dem Haupteingang im Untergeschoss der Aufbahrungshalle 2. Auf 300 Quadratmetern dreht sich alles spannende und teils skurrile Exponate des Bestattungswesens und Totenkults in Wien. 

Bestattungsshop: Ein Geschäft mit morbidem Charme ist der Shop des Bestattungsmuseum, der 2018 öffnete. Zu kaufen gibt es Merchandising-Artikel mit schwarzem Humor: vom T-Shirt mit dem Spruch „Friedhöfe Wien – Hier liegen Sie richtig“ über eine Stofftasche mit dem Aufdruck „Ich lese, bis ich verwese“ bis hin zum Eiskratzer mit dem Slogan „Mit uns kratzen Sie besser ab“.

Honig: Der Zentralfriedhof ist Lebensraum von zahlreichen Tierarten, unter anderem leben Feldhamster, Eichhörnchen, Baummarder, Füchse und Rehe auf dem Gelände. Sogar Bienen fühlen sich wohl. Sie produzieren im Naturgarten des Zentralfriedhofs Blütenhonig. Den „Friedhofshonig“ kann man im Shop vom Bestattungsmuseum kaufen.

Friedhofsgemüse: Wer will, kann auf dem Zentralfriedhof sein eigenes Gemüse ernten. Das Selbsterntefeld liegt auf einer Freifläche. Jedes Feld ist ein biozertifiziertes, mit verschiedenen Gemüsepflanzen vorbepflanztes Stückchen Acker, das in Kooperation mit dem Unternehmen Ackerhelden betrieben wird.

Friedhofslokale: Auf der Simmeringer Hautstraße, entlang der vier Tore des Zentralfriedhof Wiens, gibt es mehrere Traditionslokale. Als Klassiker gilt das „Concordiaschlössel“ mit seinen Schnitzelgerichten. 2022 öffnete der Würstelstand „Eh scho wuascht“ bei Tor 2, wo es Frankfurter, Burenwurst, Käsekrainer und Bratwürstel gibt, aber auch eine vegane Seitanwurst.

Jubiläum auf dem Zentralfriedhof

150 Jahre Zentralfriedhof Wien: 2024 feiert der Zentralfriedhof Wien sein 150-jähiges Bestehen. In diesem Zusammenhang veranstaltet die Friedhöfe Wien GmbH eine Reihe von Events, Workshops und Ausstellungen. Der Startschuss fällt im Frühling. Geplant sind unter anderem Konzerte auf den Flächen des Wiener Zentralfriedhofs, interaktive Workshops, und Yoga- und Qigong-Kurse im Park der Ruhe und Kraft. Alle Termine werden auf der Webseite der Friedhöfe Wien stetig aktualisiert.

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