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Reise-Kolumne: Abenteuer auf dem Jakobsweg

Ich bin ja jetzt offizielle Pilgerin. Denn auch wenn der Jakobsweg von Österreich aus tausende Kilometer nach Santiago de Compostela führt, besagt die Regel: Wenn man 100 Kilometer am Stück gegangen ist, darf man sich als Pilger bezeichnen. Ich bin fünf Tage lang den Weinviertler Jakobsweg entlang gepilgert und weiß seitdem: Pilgern ist kein Lercherlschas!

Am Anfang ist man ja noch motiviert. Eins sein mit der Natur! Den Alltag loslassen! Sich selbst finden! Man wandert euphorisch los mit des Müllers Lust, doch nach zehn Kilometern brennen die Füße wie Sau und die eigenen Schweißausdünstungen schicken einen ins aufrechte Wachkoma. Dazu kommt: Der Weinviertler Jakobsweg führt zwar durch idyllische Dörfer, Weinberge und Wälder, doch man ist am Land, was heißt: Lokale sind Glückssache und Verdursten auf der Strecke Todesursache Nummer 1. Viel zu oft landeten wir in Örtchen, wo wir Einheimische verzweifelt fragten, wo man etwas zu trinken bekommt und die lakonische Antwort war: „Daham – wo sunst?“

Doch es gab auch Highlights, denn wo Weinviertel draufsteht, ist auch Wein drin. Wir pilgerten durch Orte, in denen es mehr Weinkeller gibt als Einwohner, trafen Eingeborene, die uns in ihr Wohnzimmer auf einen Traubensaft einluden oder stießen auf Selbstbedienungsweinkeller, wo wir uns morgens den ersten Spritzer offerierten. Eine Nacht verbrachten wir in der Frühstückspension eines Herrn Schulz. Der rief mich an und fragte, ob wir etwas unternehmen wollen. „Wenn wir im Weinviertel sind, dann gemma auf ein Bier, oder?“ sagte ich, und Herr Schulz kicherte. „Na na, mir gemma in Kölla!“ Irritiert legte ich auf, und auch die J. wurde plötzlich ernst. „Keller? Ist das ein zweiter Fritzl?“ Doch als wir Herrn Schulz trafen, klärte sich alles in Wohlgefallen auf. Er lud uns in seinen Weinkeller ein und zeigte uns nicht nur, wie er seinen Wein abfüllt, er füllte uns auch richtig ab.

Den schönsten Moment erlebten wir aber in einem Ort namens Absberg. Stundenlang hatten wir nichts getrunken, deshalb war „Noch fünf Kilometer bis zum nächsten Spritzer“ unser Mantra – doch als wir in der Kellergasse ankamen, herrschte dort tote Hose. Weinerlich stillten wir Hunger und Durst an abgestandenem Leitungswasser und pampigen Energieriegeln und krochen auf allen Vieren weiter. Doch da sahen wir Licht am Ende des Pilgerns: „Flocky’s Blunzenkeller“! Der gleichnamige Wirt fand uns Pilgermädchen so toll, dass er eine Runde nach der anderen ausgab. Es wurde immer dunkler und ich sagte mahnend, dass wir losmüssen, um es ins Hotel zu schaffen, doch Flocky war ein cooler Hax. „Trinkt’s weiter, Mädels, i foah euch ham!“ sagte er und stellte den gefühlt zehnten Spritzer vor uns. Doch je später es wurde, desto voller wurde das Lokal – und auch Flocky. Mit ihm ins Auto zu steigen, erschien uns nicht klug. Da trudelte die Gendarmerie zum Feierabendweinchen ein. Beherzt tranken sie ihren Spritzer, quatschten mit Flocky – und standen dann vor uns. „Mitkommen, die Damen, mir bringan eich ham“, sagten sie. Als wir im Polizeiauto saßen, ging es los. „Können wir mit Blaulicht fahren?“ fragte die J. kichernd, während ich sagte: „Geil, ich muss sofort meine Eltern anrufen und sagen, dass die Bullen mich haben!“

Übrigens, die letzte Teilstrecke schwänzten wir und nahmen stattdessen den Bus. Kaum saß ich, konnte ich meine Wanderschuhe nicht mehr ertragen. Also zog ich sie aus und schlüpfte in Flip-Flops. Wenige Sekunden später drehte sich der Busfahrer irritiert um und rümpfte die Nase. Er sah meine mit Blasen dekorierten Füße und zog die Augenbrauen hoch. Schluckte mitleidig eine Rüge runter und sagte nur trocken: „Wenigstens san jetzt de Fliagn olle tot.“


(Erstmals erschienen in: „Kärntner Monat“, Ausgabe 10/2011)

Ein Kommentar

  1. herbert herbert

    einfaqch wieder toll zu lesen.. dein schreibstil hat ma ja schon immer gefallen 🙂

    lg Herbert

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