Zum Inhalt springen

Reise-Kolumne: Undercover-Urlaub im Single-Hotel

Ich bin ja Single. Doch was im Privatleben durchaus oft ein Segen ist, wird beruflich manchmal zum Fluch. Nämlich dann, wenn ein Single-Hotel aufmacht und eine Chefredakteurin mich beauftragt, undercover hinzureisen. Ein Horror für mich! Für andere mag das funktionieren, aber ich lasse mir lieber ins Knie schießen, als mich massenkompatibel zu paaren.

Und dennoch nahm ich den Auftrag an und machte mich voller Fremdscham für mich selbst auf in eine ländliche Region in Österreich – in ein Single-Hotel. Vor dem Eingang stand ein Page auf einem roten Teppich. Er öffnete meine Autotür, beugte sich parallel zum Taxifahrer und sagte in gedämpften Tonfall: „Du, i hob drei Gäst‘, die woll’n heut noch Tschechien. Kunnst die um Mittanocht foahn?“ Der Taxifahrer war irritiert. „Wos woll’n de in da Nocht in Tschechien?“ raunzte er. Die Wangen des Pagen röteten sich beachtlich. Verlegen trat er von einem Bein auf das andere und warf einen peinlich berührten Blick zu mir auf die Rückbank. Da musste ich ihm zu Hilfe eilen. Ich beugte mich vertraulich zum Taxler und sagte freundlich: „Bumsen!“

Ein vielversprechender Anfang, wenn die ersten Singles, von denen ich höre, nachts lieber im tschechischen Rotlichtmilieu balzen als im vielbeworbenen Kuppel-Hotel. Kopfschüttelnd checkte ich ein und beschloss, mich unter die Singles zu mischen. Um das Schlimmste hinter mich zu bringen, fing ich im Wellnessbereich an. Dort angekommen, traf ich auf die ersten Singles. Zielgruppe 50+, allesamt mehr Fast Food- als Körnchenfresser und die Herren ausgestattet mit Stielaugen in der Badehose.

Als ich mich in den Whirlpool begab, war der voll besetzt – von Frauen. Partnersuche im viel umworbenen Single-Hotel? Von wegen. Langsam begann ich mich zu entspannen. Das Wasser blubberte herrlich, es roch streng nach Kuhdung von den Bauernhöfen rundum und die Damen plauderten eloquent über die Vor- und Nachteile ihre Menopause. Leider musste ich dann feststellen, dass der Architekt ganze Arbeit geleistet hatte. Zwar war der Outdoor-Whirl-Pool hübsch angelegt innerhalb eines riesigen Schwimmbeckens, doch direkt nebenan war die Sauna, was bedeutete, dass man während des Blubberbades permanent von primären Geschlechtsorganen mit sich abkühlenden Männern dran umgeben war.

Wenig später beim Abendessen am geselligen Gruppentisch kannte ich deshalb keinen einzigen Namen meiner Tischherren, aber mindestens ein Dutzend Penisse zu ihren Gesichtern. Als ein besonders hartnäckiger Pensionist mich nicht in Ruhe essen ließ, sondern permanent baggerte, wies ich ihn liebevoll in seine Schranken. „Weißt du, du bist sicher ein netter Kerl, aber du hast ein mieses Timing“, sagte ich. „Erst stellt man sich vor, dann zeigt man seinen Penis.“

Zum Abschluss ging’s dann in die Hoteldisco. Da wollte ich’s noch mal wissen. Ich trug ein kleines Schwarzes, Killer-Heels und einen Lippenstift aus der Kategorie „lasterhaftes Flittchen“. Beine überkreuzen, lasziv lächeln – und niente! Zwar trafen sich hier alle Gäste des 100 Betten-starken Hotels, doch jetzt wurde mir die Sollbruchstelle des Single-Hotels klar: 80 Frauen trafen auf 20 Männer, die offenbar alle mit einem Bein im Grab standen. Mit dem anderen versuchten sie, auf der Tanzfläche einen Slowfox zu Lady Gaga zu tanzen.

Unnötig zu erwähnen, dass es während meines ganzen dreitägigen Aufenthalts im Single-Hotel zu keiner brauchbaren Begegnung kam. Der einzige Mann, der mich an diesem Wochenende nackt gesehen hat, war der Masseur. Und den musste ich dafür bezahlen.

 


(erstmals erschienen in der Zeitschrift Kärntner Monat, Ausgabe 07/2011)


♥ Pin me!

Reise-Kolumne: Undercover-Urlaub im Single-Hotel

3 Kommentare

  1. Herbert Herbert

    Immer wieder toll deine Berichte zu lesen….😊😊😊😊👍👍

    • Jasmin Kreulitsch Jasmin Kreulitsch

      Vielen Dank, Herbert! Es ist auch immer wieder toll, dass du so treu bist und überall meine Sachen liest :-).

  2. Isolde Isolde

    Wunderpoetin, ein echt starkes Stück!!! Bitte bald mehr Lasterhaftes dieser Art!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert