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Reise-Kolumne: E-Mail für dich aus Israel

Meine Travel Tales erzähle ich meist als Reportagen, neulich verarbeitete ich aber bereits während eines Trips meine Erlebnisse in E-Mails. Der Empfänger? Einer meiner Lieblingsmenschen. Der ist Musiker, Songwriter und Kabarettist – und wir streiten uns seit Jahren darüber, wer den besseren Humor hat. Nach meinen täglichen Mails über meine Pressereise quer durch Israel habe ich nun hoffentlich gewonnen.

Tag 1: Ankunft in Tel Aviv

Lieber …,
manchmal bin ich ja richtiggehend naiv. Bei einer Pressereise mit dem Titel „Healthy living“ hätten eigentlich sofort meine Alarmglocken schrillen sollen. Und ich hätte vorab ein paar logische Schlussfolgerungen ziehen müssen. Zum Beispiel, dass kein männlicher Journalist freiwillig bei etwas mitmacht, wo die Begriffe „vegan“, „Yoga“ und „Schlammbaden“ in einem Satz vorkommen. Von dem Workshop, in dem wir Naturkosmetik selber machen, will ich gar nicht reden (Ich meine: Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass wir Karotten passieren und ins Gesicht schmieren, dann hätte er sie nicht unter der Erde wachsen lassen, sondern in Cremedosen!). Dass auch die coolen Säue unter den Reisejournalisten lieber nach Argentinien fliegen, um ein Rind zu schlachten, ist leider auch klar.

Nun bin ich also in einer Gruppe von sieben Frauen, von denen der Großteil für Yoga-Zeitschriften schreibt. Mittendrin ich, die sich nicht sicher ist, was sie depperter findet: Yoga – oder Menschen, die Yoga machen. Oder noch schlimmer: Menschen, die nicht über meine Yogawitze lachen (Ich meine: In Tschechien gibt es Bier-Yoga. Da zählt der Rülpser nach einem Bier sicher als Yoga. Aber gelacht haben die Damen nicht, als ich meine Theorien darüber charmant darlegte!).

Dass jede Mahlzeit, die ich heute zu mir genommen habe, komplett vegan war, muss ich wohl nicht erwähnen.

Tag 2: Beef in Tel Aviv

Lieber …,
das WLAN ist gestern Abend im Hotel ausgefallen, daher erst jetzt die wichtige Botschaft: ICH HATTE FLEISCH!
(Ich hätte dem religiösen Guide beinahe die Schöpfungsgeschichte neu erklärt: „Und am dritten Tag schuf Gott die Tiere und sagte: ‚Macht ein Barbecue!’“)

Tag 3: Vegan in Israel

Lieber …,
mit jedem veganen Essen steigt die Stimmung. Heute veganer Kochkurs. Lange Erklärungen, warum wir die armen, armen Tiere nicht essen sollen. Dass Buchweizen ein Wunderwuzzi ist, aus dem man alles machen kann. Und dass Salz der Satan unter den Gewürzen ist. Wenn ich den Auflauf nachkochen müsste, hätte ich eine Idee für die Zutaten: Zwiebel, Pilze, Bauschaum! 

Auf der anderen Seite ist da unser Guide (die eine Österreicherin sagt immer unabsichtlich: unser Führer. Das finde ich in Israel ja doppelt lustig.) Der ist ja sehr motiviert. Das ursprüngliche Programm verlängert er gerne, um noch mehr reinzupressen, und überfällt uns täglich mit unguten Uhrzeiten zum Losfahren. Alle finden das doof – bis auf eine (die, die Führer sagt – eh klar). Das sieht dann so aus:

„Morgen würde ich gerne um 7:30 starten. Sind alle damit einverstanden?“
„Hust. Geht auch acht?“
„Oder halb neun?“
„SIEBEN UHR WÄRE SUPER!“
„Hust.“
„Keuch.“
„SIEBEN!“
„Aber es ist schon Mitternacht. Ich brauche meinen Schlaf!“
„SCHLAFEN KÖNNEN WIR, WENN WIR TOT SIND!“
„Also wirklich. Wenn ich auf die 90 zugehen würde, würde ich das auch sagen.“
„ICH BIN 57!“
„Dein Gesicht sagt etwas anderes.“
„Hust.“
„Keuch.“
„SIEBEN!“
„Okay, Kompromiss: Wir treffen uns um 7:15 beim Bus.“

Tag 4: Roadtrip in die israelische Wüste

Lieber …,
heute sind wir den ganzen Tag quer durch Israel gefahren. Dazu muss man wissen: Unser Fahrer ist in Rente. Und ich habe die leise Vermutung, dass er vorher viel gemacht hat – außer Auto fahren. Er spricht mit einem hübschen französischen Akzent Englisch, vielleicht hatte er früher ein kleines orthodoxes Puff, wegen dem Verkehr, du verstehst schon. Bei uns im Bus sieht es nämlich so aus: Wir sitzen herum und bekommen Jesusgeschichten vom Führer (ja, ich nenne ihn jetzt auch so) erzählt, dann bremst der Fahrer. Dinge fliegen durch den Bus, Menschen holen sich Platzwunden, Fahrer lacht. 15 Minuten Ruhe, Jesusgeschichten, Vollbremsung, Dinge fliegen, Menschen bluten, Fahrer lacht. Links und rechts kann er auch nicht, Navi lesen sowieso nicht, weshalb wir viele Umwege fahren, inkl. Vollbremsungen. Und wieder: Dinge und Menschen brechen, Fahrer lacht. 

Zuletzt sind wir heute auf Klippen in der Wüste gefahren. Was soll ich sagen? Kurven kann er auch nicht. Den Berg fuhr er dann ohne Gang mit Bremse runter. Bis ins Hotel stank es verbrannt im Auto. Eine der anderen Journalistinnen hat dann ziemlich treffend zum Führer gesagt: „Bitte, du kannst gerne weiter von Jesus erzählen, aber wir möchten ihn noch nicht kennenlernen.“

Tag 5: Stuhlkreis in Tel Aviv

Lieber …,
heute ist es passiert: Ich musste in einem Stuhlkreis sitzen. Und obwohl das schon erniedrigend genug ist, musste ich über meine Beziehung zu Pflanzen reden. Dass ich nicht mal Beziehungen zu Menschen mag, ist übrigens der falsche Scherz für einen Stuhlkreis, wie ich bitter lernen musste.

Apropos Stuhl: Auf jeder Pressereise kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man über seinen Stuhlgang spricht. Diesmal war‘s nach zwölf Stunden soweit, da erzählte die erste, dass sie schon Durchfall hat. Und manch andere nahm das zum Anlass, über andere Reisen und andere Durchfälle zu sprechen – in allen Aggregatzuständen: fest, flüssig, überflüssig. Einhelliges Fazit? Andere Länder, andere S(h)itten.

Das hat auch unser Führer bestätigt. Der war mal ein ultra-orthodoxer Jude und erklärte, dass es in Sachen sauber/unsauber bzw. rein/unrein besonders bei toten Dingen streng zugeht – und das nicht nur bei Leichen. Wenn ultra-orthodoxe Juden sich die Zehennägel oder Haare schneiden, muss ausführlich gebetet werden, weil Nägel oder Haare tote Zellen sind, ergo: unrein. Und weil das so ist, ist auch jeder Stuhlgang unrein und das, was in der Schüssel landet, tote Zellen. Daher wird nach jedem Schiss gebetet, gesungen und gesäubert.

Was mich zur Überlegung brachte, dass meine Nichte in ihrem letzten Leben eine streng-orthodoxe Jüdin gewesen sein könnte. Denn wenn sie aufs Klo geht, trällert das gute Kind immer ein Liedchen. Das fiel mir zum ersten Mal auf, als sie fünf war, für eine Viertelstunde verschwand und ich plötzlich hörte, wie sie voller Inbrunst sang: „Ich kenne nichts, das so schön ist wie du.“

Jetzt schließt sich übrigens der Stuhlkreis, denn Xavier Naidoo fand ich immer schon scheiße.

Tag 6: Yoga am Toten Meer

Lieber …,
die Straßen sind überflutet und wir hängen fest im Kibbuz. Als die Journalistenkolleginnen gerade fragten, ob ich beim Yoga mitmachen will, habe ich mir als Antwort Protest-Chips gekauft und genussvoll verzehrt, während sie vor mir im Gras ihre Körper absurd verbogen haben (wenn das hier nicht ein alkoholfreier Kibbuz wäre, hätte ich natürlich mit Bier gekontert!).

Tag 7: Sex in Jerusalem

Lieber …,
wir müssen heute über Sex reden. Nach 24 Stunden in Jerusalem und einem sehr gesprächigen Führer weiß ich jetzt so gut wie alles über ultra-orthodoxen Geschlechtsverkehr und die große, große Frage: rein oder unrein? Er hat sechs Jahre streng orthodox gelebt und in dieser Zeit fünf Kinder gezeugt. Wo man bei uns fragen würde, ob er kein anderes Hobby hat, heißt es in Jerusalem, das sei ein guter Anfang für eine orthodoxe Familie. Er erzählte also, dass er oft 20 Tage keinen Sex hatte, weil seine Frau nicht rein war. Denn nach der Menstruation muss man nochmal eine Woche warten, damit wirklich kein Tröpfchen Blut im Spiel ist. Das fördert die Lust, sagte der Führer, und halte die Ehe frisch. Die Frage, warum er heute geschieden ist, wollte er dann aber nicht beantworten. Ich persönlich glaube ja, dass da in der Tora was falsch übersetzt wurde. Der streng-orthodoxe Jude liegt nämlich sicher nicht nachts im Bett und fragt seine Frau „Rein oder unrein?“ – sondern „Rein oder nicht rein?“

Tag 8: Zurück aus Israel

Lieber …,
ich bin gut zu Hause angekommen. Von der Israel-Reise vermisse ich am meisten meine Gespräche mit der Schweizer Kollegin, die herrlich naiv war – oder zumindest so tat, als wir uns über die Ausreise und das zu erwartende strenge Verhör unterhielten. 
„Du kannst die Weinflaschen nicht im Handgepäck transportieren.“
„Aber unser Führer hat gesagt …“
„Dieser Satz ist das schlechteste Argument auf einem israelischen Flughafen.“
„Warum?“
„Unser Führer hat gesagt?“
„Wieso?“
„UNSER FÜHRER?“
„Oh.“

Fünf Minuten später.

„Was sagst du also bei der Ausreise auf die Frage, ob du jemanden in Israel kennst?“
„Niemanden, nur unseren Führer.“
„…“


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