Wo in den Bergen rund um Bozen eiszeitliche Gletscher Moränenlehm abgelagert haben, ragen bizarr anmutenden Lehmkegel in die Höhe. Das Material, aus dem sich die Erdpyramiden auf dem Ritten entwickelt haben, ist rund 25.000 Jahre alt. Die berühmten Erdpyramiden in Südtirol gehören zu den schönsten, höchsten und formenreichsten ganz Europas.
Erdpyramiden in Südtirol: Spektakuläre Lehmkegel auf dem Ritten ♥ Lesezeit: 7 Minuten
Der Ritten ist der „Hausberg“ Bozens, der sich über der Südtiroler Landeshauptstadt erhebt. Im Westen wird der Bergrücken begrenzt vom Sarntal, im Osten vom Eisacktal und im Süden vom Bozner Talkessel. Im Norden ragt das Rittner Horn auf 2.260 Meter. Rund 8.200 Menschen leben in der Gemeinde Ritten (auf italienisch Renon). Das malerische Hochplateau erzählt eine lange Geschichte. Es ist der exponierten und vor allem sonnigen Lage geschuldet, dass bereits vor über 300 Jahren auf dem Ritten die Sommerfrische in Südtirol erfunden und der „Hausberg“ Bozens zum beliebten Ziel wurde, um der drückenden Hitze im Tal zu entfliehen.

Sommerfrische dem Ritten
Gelegen in einem Talkessel gilt Bozen seit jeher als einer der heißesten Orte Italiens. Die 35° C-Grenze wird im Hochsommer regelmäßig überschritten. Schon vor 300 Jahren zog es deshalb die Bozner auf den Ritten, um den schwülen Wochen in der Stadt zu entgehen. Die Sommerfrische galt allerdings nicht nur als schick, sondern auch als praktikabel. Prächtige Patrizierhäuser erzählen noch heute Geschichten von vergangenen Sommertagen, als zahlreiche Familien aus dem Bozener Talkessel in die Höhe flohen.
Alljährlich zu Beginn des Sommers packten die Familien ihre Truhen und Koffer und zogen in ihr Rittner Sommerdomizil um. Die traditionelle Sommerfrische dauerte 72 Tage lang – vom Peter- und Paulstag Ende Juni bis zu Mariä Geburt Anfang September. Üblicherweise verbrachten Frauen und Kinder ihre Ferien in luftiger Höhe, während die arbeitenden Männer ihre Familien nur an den Wochenenden besuchten und Frischluft tanken konnten.

Wanderwege auf dem Ritten
Es waren aber nicht nur Bozner Familien, die ihre Sommer auf dem „Hausberg“ Bozens verbrachten. Auch der Adel, das gehobene Bürgertum und reiche Kaufleute aus dem Wiener Raum hörten von dem angenehmen Klima auf dem Ritten und planten ihre Sommerfrische hier. Einer von ihnen war Sigmund Freud. 1911 kam er mit seiner Familie auf den Ritten. Aus dem ursprünglich geplanten Kurzurlaub wurden mehrere Monate. Es heißt, er schrieb auf dem Ritten sein Werk „Totem und Tabu“. Heute erinnert die Freud-Promenade an den Begründer der Psychoanalyse. Der Weg führt in ca. 1,5 Stunden von Oberbozen über Lichtenstern nach Klobenstein (oder umgekehrt).
Lieber Freund, (…) hier auf dem Ritten ist es göttlich schön und behaglich. Ich habe eine unerschöpfliche Lust zum Nichtstun, temperiert durch zweistündige Lektüre in neuen Dingen, bei mir entdeckt …
Sigmund Freud in einem Brief an C.G. Jung
Wer die Vergangenheit von einst aufspüren will, wandert am besten über die Promenaden auf dem Sommerfrischweg, vorbei an den historischen Sommerfrischhäuser und spektakulären Aussichtsplattformen. Die Gemeinde Ritten erstreckt sich auf Höhen zwischen 800 und 1.300 Meter und es gibt rund 300 Kilometern an Wanderwege, die sich von den Sonnenhängen im Tal bis in die luftigen Höhen des Rittner Horns ziehen.

Rittner Seilbahn & historische Rittnerbahn
Einst war die Anreise nicht einfach und der Ritten schwer erreichbar. Als im Jahr 1907 die Bahn von Bozen auf den Ritten ihren Betrieb aufnahm, wurde vieles erleichtert. 1966 wurde die Zahnradbahn auf der Strecke zwischen Bozen und Oberbozen von einer Seilbahn ersetzt. Doch erst 1971 wurde die Straße von Bozen auf den Ritten fertiggestellt, die über viele Kurven auf den Berg führt.
Heute dauert der Weg von Bozen nach Oberbozen lediglich zwölf Minuten. Alle vier Minuten verlässt in Bozen eine Gondel der „Rittner Seilbahn“ die Station. Die ursprüngliche Pendelbahn wurde 2009 durch eine 3S-Bahn ersetzt. Jene Schmalspurbahn, die ursprünglich von Bozen auf den Ritten führte, ist noch heute unterwegs und fährt einmal quer über das Sonnenplateau: Die „Rittnerbahn“ bedient im Halbstundentakt die Strecke zwischen Oberbozen und Klobenstein.

Naturphänomen: Erdpyramiden in Südtirol
Ob Oberbozen und Klobenstein: Beide Orte sind der perfekte Startpunkt, um das spektakulärste Naturphänomen Südtirols zu berichtigen. Denn auf dem Ritten zeigt die Natur eine ihrer schönsten Seiten. Dort, wo in den Tälern eiszeitlicher Moränenlehm der Gletscher abgelagert wurde, ragen bizarre Lehmkegel aus den Boden: Südtirols berühmte Erdpyramiden in Oberbozen, Lengmoos und Unterinn.
Ähnliche Erdpyramiden kommen auch in Österreich, Bulgarien oder der Schweiz vor, die Lehmkegel auf dem Ritten sind jedoch die schönsten, höchsten und formenreichsten in ganz Europa. Ihre Geschichte reicht so weit zurück, das es kaum vorstellbar ist: Die Erdpyramiden in Südtirol bestehen aus einem rund 25.000 Jahre alten Material, aus dem sich die berühmten kegelförmigen Lehmsäulen mit Felsenhut entwickelt haben.

Der Rhythmus der Erdpyramiden in Südtirol
Was bizarr aussieht, ist ein langer Prozess. Erdpyramiden bestehen aus aufgeschüttetem Lehm, der sich zu einer Art Kegel geformt hat, auf dem ein Felsbrocken ruht. Diese Böden aus späteiszeitlichem Moränenlehm sind in trockenem Zustand steinhart. Wenn es regnet, wird jedoch der Untergrund weich. Dann rutscht der Lehm ab und bildet zehn bis 15 Meter hohe Steilhänge.
Weitere Regenfälle waschen die Hänge aus. Liegen dann im Erdmaterial Gesteinsbrocken, ist der Lehm unter den Felsen geschützt. So können die Erdpyramiden aus dem Boden wachsen. Verliert eine Säule ihren Deckstein, erodiert sie zügig. Sie nimmt dann eine Art Zuckerhutgestalt an und wird kleiner, bis sie schließlich verschwindet. Der Rhythmus ist ungebrochen, denn während eine Erdpyramide verschwindet, formen sich weiter oben am Hang längst eine neue.

Wanderungen zu den Rittner Erdpyramiden
Wanderung ab Klobenstein: Die Wanderung zu den Erdpyramiden in Südtirol startet im Hauptort am Ritten in Klobenstein. Der einfach zu gehende Weg Nr. 24 führt durch Klobenstein nach Lengmoos bis zum Wanderweg ins Erdpyramidental. Auf demselben Weg geht es wieder ein Stück zurück nach Lengmoos bis zum Beginn des Weges Nr. 37, dann auf die von-Eyrl-Promenade und zurück zum Ausgangspunkt Bahnhof Klobenstein.
- Dauer: 1 Stunde 20 Minuten
- Länge: 3,5 Kilometer
- Höhe: 100 Höhenmeter

Wanderung ab Oberbozen: Der Wanderweg startet in Oberbozen an der Bergstation der Rittner Seilbahn. Ab hier folgt man den Schildern „Erdpyramidenweg“ und geht am Schwimmbadweg entlang bis hinunter auf den Wanderweg Nr. 23. bis zum Aussichtspunkt der Erdpyramiden im Katzenbachgraben. Nun geht es vorbei am Hügel der St. Georgs- und Jakobskirche mit prächtigen Malereien in der Apsis aus dem Jahre 1380. Der Wanderweg führt um den Kirchhügel und weiter über Wiesen hinauf nach Maria Himmelfahrt. Hier liegt die Endhaltestelle der Rittnerbahn. Das letzte Stück führt über den „Sommerfrischweg“ vorbei an den alten Sommerfrischhäusern zurück nach Oberbozen.
- Dauer: 2 Stunden
- Länge: 5,6 Kilometer
- Höhe: 200 Höhenmeter

Hoteltipp auf dem Ritten
Wabert am Morgen Nebel über den Wolfsgrubner Bergsee in Oberbozen, scheint ein Geheimnis auf Wasseroberfläche zu ruhen. Kein Wunder: Rund um den See liegen mehrere Kraftorte, die eine besondere Energie verströmen. Der schönste Kraftort ist das Hotel von Manuela und Klaus Pichler. Im Fokus stehen die Werte Naturnähe, Achtsamkeit und Verantwortung. Wer im „Hotel Weihrerhof“ Urlaub macht, checkt ein in eine bessere Zukunft.
Weiterlesen: Hotel Weihrerhof auf dem Ritten
Hotels in Oberbozen

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