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Reise-Kolumne: Der schlechteste Beifahrer auf Reisen

Es mag nach Steinzeit klingen, aber: Ja, es gab ein Leben vor Smartphones, Navigationsgeräten und Google Maps. Ich spreche von jener Zeit, in der man für Reisen mit dem Auto tatsächlich Straßenkarten nutzte und mit einem gewissen Maß an Hausverstand den Weg finden musste. Ich war als Kind allerdings weder bei den Pfadfindern, noch bin ich mit einem guten Orientierungssinn gesegnet - deshalb fährt man mit mir als Beifahrer garantiert ins Verderben.

Und das mit dem Verderben ist durchaus wörtlich gemeint. Wer mich bittet, den Beifahrersitz zu übernehmen und den Weg anzusagen, macht die Erfahrung eines Last-Minute-Urlaubs mit geheimer Destination: Wir landen garantiert da, wo wir keinesfalls  hinwollten.

Deshalb bin ich als Beifahrer denkbar ungeeignet. Und dennoch: Mein Exfreund P. und ich fuhren vor ein paar Jahren mal nach Prag. Lachend stiegen wir in einen flotten Mietwagen und brausten im Sonnenschein los. Stunden später war jedoch die Sonne ebenso untergegangen wie unsere gute Laune und wir waren nicht mehr flott, sondern sahen rot.

Das lag zum einen daran, dass der P. vergessen hatte, eine Straßenkarte einzupacken und keine Ahnung hatte, wohin er fuhr, zum anderen an meinen koordinatorischen Schwierigkeiten. „Spatzi, nach links!“, wies ich ihm voller Überzeugung den Weg. Also fuhr er nach links. In die Richtung, aus der wir gekommen waren. Als er mich mit glühenden Augen ansah und die Haut, aus der er fahren wollte, beachtlich rot war, rief ich entrüstet: „Ich meinte das andere links!“ – und wurde echt sauer. Kennt er mich gar nicht? Wenn ich links sage, meine ich rechts! Das weiß er doch! Nie hört er mir zu!

„Entschuldigung, aber … in welchem Land befinden wir uns?“

Nach zwei Stunden hatten wir zwei Mal (!) einen Grenzübergang überschritten. Allerdings beide Male nach Polen. Beim dritten Mal war ich so verunsichert, dass ich den Zöllner hilflos fragte: „Entschuldigung, aber … in welchem Land befinden wir uns?“ Er schaute pikiert und wollte uns bestimmt wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht einreisen lassen, aber wir jubelten. Wir waren in Tschechien, hurra!

Diesen Wochenendausflug haben wir zwar überstanden, ohne uns die Augen auszukratzen, aber trotzdem kam ich nicht umhin, mich zu fragen: Kann ich mit seinen Macken leben? Und kann er es mit meinen? In der Psychologie geht man davon aus, dass die liebenswerten kleinen Eigenheiten, die einen anfangs bezaubern, irgendwann zum Knackpunkt in einer Beziehung werden. Und zu einer Trennung führen können. Natürlich ist es auch so, dass man gerne einen Unterschied macht zwischen den eigenen Macken und denen des Partners. Aber mal ehrlich: Ich hab so viele, dass ich seine nicht brauche!

Trotzdem wollte mir nie einleuchten, dass er ebenso genervt sein könnte von meinen Eigenheiten wie ich von seinen. Anfangs fand ich es ja süß, dass er dann und wann vergesslich war. Aber irgendwann wollte ich ihn wutentbrannt für eine Gehirntransplantation anmelden. Damals, als er stundenlang nach seinem Schlüsselbund suchte, dabei die Wohnung auf den Kopf stellte und es noch wagte, mich mit einem hilflosen Blick zu nerven, nach dem Motto: Mach’s wieder gut. Aber wer bin ich denn? Zürich Kosmos?

Der Schlüssel lag übrigens im Kühlschrank. Deshalb machte ich Schluss. Und kaufte Frust-Schuhe. Als wir uns nach 48 Stunden wieder versöhnten, war er deshalb sauer und murmelte etwas, das verdächtig nach „Du hast ’ne Macke“ klang. Aber dann lachte er. Und ich mit ihm.

Heute weiß ich: Ohne diese kleinen, speziellen Eigenheiten ist das Leben langweilig. Was würde ich mit einem Mann machen, der sich nie verfährt und immer perfekt ist?

Ich würde ihn rechts liegen lassen. Also links.



(erstmals erschienen in der Zeitschrift Kärntner Monat, Ausgabe 02/2013)

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