Irgendwo im Nirgendwo auf dem Highway 90 trägt die texanische Wüste Prada. Zwischen Asphalt und Wüstensand steht am Straßenrand ein surrealer Showroom mit Schuhen und Taschen des italienischen Modehauses. Die Kunstinstallation „Prada Marfa“, 26 Kilometer nordwestlich der Stadt Marfa in West-Texas, wirkt wie ein Wunder in der Wüste.
Prada Marfa: Die Wüste trägt Prada in West-Texas ♥ Lesezeit: 6 Minuten
Eine Schule, eine Post, ein Zahnarzt. Mehr gibt es in Valentine nicht. Gerade mal 150 Menschen leben in dem kleinen Städtchen auf der Route des Highway 90 in West-Texas. Weil Valentine an einem 14. Februar gegründet wurde, gab die Bahngesellschaft, die 1882 den Ort zum Leben erweckte, Valentine seinen Namen. In die nächste Stadt braucht man 45 Minuten. Da es weder ein Restaurant, noch eine Tankstelle gibt, würden Touristen Valentine keines Blickes würdigen – gäbe es nicht zwei Kilometer vor der Stadt ein kleines Gebäude, das seit 2005 den einsamen Highway geschäftiger wirken lässt als bisher.
Der Highway 90 ist 2.628 Kilometer lang und führt von Jacksonville Beach an der Atlantikküste Floridas bis nach Van Horn im westlichen Texas. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 liegt die Route auf Platz 3 der am meisten gefürchteten Roadtrips in den USA. Wegen der ausgedehnten Natur- und Wüstenlandschaft sind Orte unterwegs rar. Der Asphalt zieht sich wie eine einsame Linie durch den heißen Wüstensand. So kann es schwierig sein, schnelle Hilfe oder Reparaturmöglichkeiten zu finden. Und dennoch: An einer Stelle bleiben zahlreiche Menschen stehen.
Prada Marfa: Kunst in der Wüste
Wo kilometerweit nichts zu sehen ist als verbrannte Erde und schnurgerader Asphalt, steht seit 2005 am Highway ein Prada-Store. Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset hatte die Idee, Prada Marfa mitten in die Wüste zu stellen. Dabei handelt es sich um keinen Shop, sondern eine permanente Kunstinstallation. Denn obwohl im Schaufenster die Herbst-Kollektion 2005 von Prada zu sehen ist: Kaufen kann man diese nicht. Als Elmgreen & Dragset ihren surrealen Showroom installieren, stellte die Prada-Mitinhaberin Miuccia Prada die erste Ausstattung mit Produkten zur Verfügung.
Die Idee der Kunstinstallation ist aber keine Werbung für das italienische Modehaus. Im Gegenteil: Elmgreen & Dragset wollten ein Statement gegen die Konsumgesellschaft abgeben. Mittlerweile ist der Store mit Grafitti übersät, was aber dem Konzept der Künstler entgegenkommt. Das Geschäft soll allmählich dem Verfall preisgegeben werden. In der Popkultur wurde Prada Marfa längst ein Denkmal gesetzt. In der Serie „Gossip Girl“ ist ein „Prada Marfa“-Druck ein fixer Bestandteil der Ausstattung, in der Folge „Mad About the Toy“ von „The Simpsons” reist die Familie nach Marfa und legt einen Halt bei Prada Marfa ein.
Prada Marfa: Little Reata Ranch
Von Prada Marfa sind es nur 26 Kilometer bis zur Kleinstadt Marfa. Wie aus dem Nichts zeichnen sich auf der schnurgeraden Straße plötzlich schemenhaft Gestalten ab. Etwa sechs Kilometer vor der Stadt Marfa thronen mitten im Präriegras überdimensionale Figuren. James Dean, Elizabeth Taylor und Rock Hudson fügen sich ins Ambiente ein, als hätte der Wilde Westen sie hier ganz absichtlich in die Landschaft gespuckt.
Grund für diese Filmkulisse mitten im Nirgendwo ist der Film „Giant“ (deutsch: „Giganten“) aus dem Jahr 1956. Damals brachte das Filmstudio Warner Bros den gleichnamigen Roman-Bestseller von Edna Ferber mit dem US-amerikanischen Regisseur George Stevens auf die Leinwand. Besetzt wurde der Film mit den heutigen Filmlegenden James Dean, Elizabeth Taylor und Rock Hudson, gedreht wurde in Marfa und auf der Little Reata Ranch. Die Kulisse wurde aufwändig in Hollywood gebaut, mit dem Zug nach Marfa gebracht und vor Ort wieder zusammengesetzt. Die Kulisse mit den Figuren am Highway gibt es erst seit 2018, als der Künstler John Cerney seine Kunstwerke aufbauen ließ.
„Tough to get here, tougher still to explain, but once you get here, you get it.“
Offizieller Slogan von Marfa
(Es ist schwer, hierher zu kommen, und noch schwieriger zu erklären, aber wenn du erst einmal hier bist, verstehst du es.)
Prada Marfa & Kunststadt Marfa
Marfa wirkt auf den ersten Blick träge und schläfrig, zumindest Anfang der Woche. Selbst die einzige Verkehrsampel scheint langsamer zu blinken. Gerade mal 1.981 Menschen leben hier. Gegründet im Jahr 1883, diente der verschlafene Ort ursprünglich als Wasserstopp und Frachtstation für Reisende, Cowboys und Viehzüchter. Steht man Montag oder Dienstag in der kleinen Stadt, kann es passieren, dass man keinem Menschen begegnet. Die Zeit vergeht langsamer mitten in der Wüste. Erst am Wochenende scheint Marfa aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. Dann geht ein Ruck durch die Kleinstadt und man macht sich bereit für die Touristen, die kommen, um das Flair von Marfa zu erleben.
Marfa ist ein Kosmos für sich. Läden haben keine Öffnungszeiten. Die Türen gehen auf, wenn die Betreiber ausgeschlafen sind. In Restaurants gibt es keine Reservierungen; vielleicht ist das auch besser, denn auch hier weiß man nie, wann geöffnet ist. Viele Kreative leben in Marfa, die sich in der Stille der Stadt verwirklichen wollen. Künstler und Aussteiger, denen das Leben in US-Großstädten zu hektisch war. Auch Promis kommen, weil sie mit eigenen Augen sehen wollen, was hier genau fasziniert. Natalie Portman, Robert Pattinson, Jake Gyllenhaal – sie waren alle hier. Queen Beyoncé flog 2012 sogar im Privatjet nach Marfa.
Marfa: Lights, Giant, Prada, Judd, Chinati
Dabei ist Marfa auf den ersten Blick eine wie viele andere kleine Städte in Texas. Früher lebte die Stadt von einem großen Viehverladebahnhof, heute ist Marfa ein einzigartiger Ort für Kunst und steht für fünf Schlagworte. Lights, Giant, Prada, Judd, Chinati. An diesen fünf Begriffen kommt niemand vorbei. Doch was steckt dahinter? Die sogenannten „Marfa-Lichter“ hüllen den Himmel über Marfa in ein ganz besonderes Licht. Sie erscheinen nur während der Nacht und werden meist als kugelförmig, baseball- bis basketballgroß und hell leuchtend beschrieben. In der „Marfa Lights Viewing Area“ (12 Kilometer östlich von am Highway 90) soll man das Phänomen besonders gut beobachten können.
Giant indes gibt es nur im TV zu sehen: Die Dreharbeiten zu dem Film brachte James Dean, Elizabeth Taylor und Rock Hudson nach Marfa. Seither ist das „Hotel Paisano“, das im Jahr 1930 eröffnet wurde, eine Legende. Im Sommer 1955 übernachteten die Stars aus „Giant“ sechs Wochen hier. Wer heute eincheckt, spürt das Flair von einst – und kann sich vorstellen, im selben Zimmer zu schlafen wie einst James Dean, Elizabeth Taylor oder Rock Hudson.
The Chinati Foundation
Mit Prada ist natürlich die Kunstinstallation Prada Marfa vor den Toren der Stadt gemeint – und mit Judd und Chinati zwei Begriffe, die seit der 70er Jahre untrennbar mit Marfa verbunden sind. Marfa wäre sicher weniger im Gespräch, hätte sich Donald Judd – einer der bekanntesten Vertreter der Minimal Art – nicht im Jahr 1971 entschieden, seinen Lebensmittelpunkt und seine künstlerische Vision von New York nach Marfa zu verlegen. Das zog lokale und internationale Künstler, Architekten und Kreative an und machte die kleine Wüstenstadt zu einem internationalen Kunstziel.
Seit seinem Tod 1994 betreibt die von ihm gegründete „The Chinati Foundation“ das Areal für zeitgenössischen Kunst inmitten der texanischen Wüste. Zwischen vertrocknetem Wüstengras und grünen Kakteen hat Donald Judd am Stadtrand auf einem ehemaligen 340 Hektar großen Militärstützpunkt Baracken, in denen Soldaten untergebracht waren, zum Kunstobjekt umgestaltet. Die Foundation umfasst heute 150 Hektar Land und etwa 30 Gebäude – mit Kunstinstallationen und Arbeiten von Dan Flavin und John Chamberlain, Betonarbeiten, Skulpturen und farbigen Leuchtstofflampen.
Essen in Marfa
The Sentinel Marfa
Das Restaurant „The Sentinel Marfa“ bietet Frühstück und Mittagessen und ist ideal, um eine Tasse Kaffee zu schlürfen und Barbacoa-Tacos zu genießen. Zudem werden Bildbände, Schmuck und Haushaltswaren verkauft, deren Erlös lokalen Organisationen zugute kommt.
Aster Marfa
Kleines Restaurant, großer Geschmack: Bei „Aster Marfa“ frühstückt man in gemütlichem Ambiente frisch gebackene Kuchen oder deftige Gerichte wie Rösti mit Schweinebauch.
Restaurant Cochineal
Küchenchefin Alexandra Gates verbindet im „Restaurant Cochineal“ die Aromen von West-Texas mit europäischen Bistrogerichten. Ihre Kreationen gibt es à la carte oder als Sechs-Gänge-Menü. Kein Wunder, dass das Lokal kürzlich für den James Beard-Award nominiert wurde.
The Capri
Ein paar Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt verbirgt sich im „The Capri“ ein Restaurant mit hippem Flair und relaxtem Biergarten. Chefkoch Rocky Barnette werkte lange in einem Haubenlokal in Washington, D.C.
Marfa Spirit Co.
„Marfa Spirit Co.“ ist eine Brennerei und ein Verkostungsraum. Speziell ist der hauseigene Wüstenrum. Der Rum wird in Eichenfässern aus Wisconsin fermentiert, destilliert und etwa 17 Monate lang gereift.
Shopping in Marfa
Wrong Store
Der skurrile „Wrong Store“ in einer ehemaligen Kirche ist eine Fundgrube für Kunst von lokalen Designern, Bücher, Kühlschrankmagnete und Skulpturen.
The Marfa Store
Klamotten mit Marfa-Prints, coole Postkarten oder Interior-Accessoires: Der „Marfa Store“ bietet ein buntes Sammelsurium.
Cobra Rock Boot Company
Keine Texasreise ohne Cowyboystiefel: In dem kleinen Store der „Cobra Rock Boot Company” gibt es ausgefallene Modelle.
Marfa Brands
Die schönsten handgemachten Seifen der Region findet man im duftenden Laden von „Marfa Brands“.
Marfa Book Company
Die größte Buchauswahl der Stadt und ein nettes Book-Café gibt es in der „Marfa Book Company“, der Fokus liegt auf Marfa, Donald Judd und anderen Künstlern.
Ballroom Marfa
Der „Ballroom Marfa“ versteht sich als Kunstzentrum der Stadt, in dem zeitgenössische Kunst inszeniert wird – in Form von Ausstellungen, Konzerten, Filmvorführungen und Performances. Natürlich gibt es auch einen Kunstshop.
The Get Go Grocery Shop
Im „Get Go Grocery Shop“ gibt es zahlreiche Köstlichkeiten, vieles kommt aus der Gegend von Marfa – von lokaler Schokolade über Kunsthandwerk bis hin zu Big Bend Coffee Roaster Kaffeebohnen.
Übernachten in Marfa
El Cosmico
Hippies und Bohemians checken bei „El Cosmico“ ein, wo man im Stil moderner Nomaden in einem Wohnwagen, einem Tipi oder einer Jurte übernachten kann. Auf dem 21 Hektar großen Gelände gibt es Badehäuser, eine gemeinschaftliche Außenküche, ein Hängemattenhain, eine Außenbühne und eine Gemeinschaftslounge.
Hotel Paisano
Wer in dem im Jahr 1930 eröffneten „Hotel Paisano“ übernachtet, schläft dort, wo im Sommer 1955 die Stars aus „Giant“ sechs Wochen lang wohnten. Das Gebäude wurde 1978 in das „National Register of Historic Places“ aufgenommen. Das Hotel bietet 41 Zimmer und Suiten, einen saisonal beheizten Pool, einen Geschenkeladen, einen „Giant“-Raum mit Erinnerungsstücken, ein Fitnesscenter, ein Restaurant und eine Lounge im Innenhof.
Hotel Saint George
Einst eine Unterkunft für Cowboys und Eisenbahnreisende, heute ein modernes Luxushotel: Das „Hotel Saint George“ bietet 55 geräumige Zimmer, die mit wiederverwendeten Industriematerialien, minimalistischen Möbeln und lokaler Kunst ausgestattet sind – allesamt eine Hommage an die kreative Kultur von Marfa.
Best of Prada Marfa
„Giganten“ (DVD & Blu-ray), ca. € 18
Poster „Prada Marfa“ (20,3 x 25,4 cm), ca. € 14
10-teilige Fashion-Gemälde (2 x 42 x 29,7 cm, 4 x 29,7 x 21 cm, 4 x 21 x 14,85 cm), ca. € 43
John Slaughter: „Marfa and the Mystique of Far West Texas“, ca. € 78
Urs Peter Flückinger: „Donald Judd: Architecture in Marfa“, Texas, ca. € 44
Virginia Lebermann & Rocky Barnette: „Cooking in Marfa: Welcome, We’ve Been Expecting You“, ca. € 46
Steven Markoff: „Marfa Lights“, ca. € 15
„Marfa Girl – Fucking Texas“ (Blu-ray), ca. € 10
Offenlegung
Travel Texas hat mich in Kooperation mit Visit El Paso, Visit Marfa und Visit Big Bend zu einem Roadtrip durch West-Texas eingeladen. Dieser Artikel enthält Empfehlungslinks. Bei einer Bestellung erhalte ich eine kleine Vermittlungsprovision – natürlich ohne Mehrkosten für meine Leser.
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