Zum Inhalt springen

Skate the World: Mit Inlineskates um die Welt 

Er bereiste fünf Kontinente und 63 Länder – und wäre gerne der erste Mensch, der auf allen Kontinenten geskatet ist. Matthias Stelzmüller ist ehemaliger Short-Track-Eisschnellläufer und reist heute auf Inlineskates um die Welt. Für seinen Kurzfilm „Skate the World“ sprang er mit einem Fallschirm über Wien ab, landete mit Inlineskates auf der Reichsbrücke und skatete quer durch die lebenswerteste Stadt der Welt: Wien.


Skate the World: Mit Inlineskates um die Welt  ♥ Lesezeit: 8 Minuten


Du bist mit einem Fallschirm über Wien abgesprungen und mit Inlineskates auf der Reichsbrücke gelandet. Bleibt nur eine Frage: Warum?
Ich verstehe die Frage nicht. (lacht) Spaß beiseite – natürlich macht es immer Sinn, die Frage nach dem Warum zu stellen. Mit meinem Projekt „Skate the World“ verfolge ich primär das Ziel, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu zeigen. Damit hoffe ich, großteils unbegründete Ängste vor dem Fremden abzubauen. Es steht somit alles unter dem Motto, die Perspektive zu verändern. Irgendwann kam der Wunsch auf, meine Heimatstadt – die lebenswerteste Stadt der Welt – aus einem einzigartigen Blickwinkel zu zeigen. Ich glaube, das ist uns gelungen.  

Foto: Thomas Planitzer

Was war zuerst da: Die Idee, diesen verrückten Sprung zu wagen – oder die Vision für deinen Kurzfilm „Skate the World“?
Die ursprüngliche Idee sah ganz anders aus: Ich wollte mit meinen Skates zum Flughafen, durch den Terminal und in eine „Austrian Airlines“-Maschine skaten, nach Berlin fliegen, die Stadt erkunden und am Abend heimfliegen. Du wirst vermutlich wieder die Frage nach dem Warum stellen. Ich wollte zeigen, wie viel man in kürzester Zeit in einer fremden Stadt auf Skates erleben kann. Die bürokratischen Hürden waren damals groß – allerdings im Vergleich zu dem, was ich später auf mich genommen habe, eher gering. Deshalb verzögerte sich das Projekt. 

Eines Tages sprach mich Didi Pammer an, der damalige Manager vom Flughafen Budweis. Er schlug vor, mein Projekt dort durchzuführen, da sie jeden Wunsch möglich machen könnten. Die Ideen haben sich hochgeschaukelt – und Didi meinte, ich solle mit den Skates auf die Startbahn und in den anrollenden Flieger springen. An Bord sollte ein Red Bull-Fallschirmspringer das Geschehen filmen, Budweis aus der Vogelperspektive zeigen und nach der Landung vor den Toren der Stadt die Aufnahmen an mich übergeben. Damals dachte ich: Warum sollte ich das an einen Fallschirmspringer übergeben, wenn ich das auch selbst schaffen kann? Kurz darauf begann ich mit meiner Ausbildung zum Fallschirmspringer. Die Idee, das Projekt auf der Reichsbrücke und in Wien umzusetzen, kam erst später, nachdem die Idee für das Video bereits entstanden war. Es ist also nicht so einfach zu beantworten, was die Ausgangsidee war – ein klassisches Huhn-oder-Ei-Prinzip.

Was waren die größten Herausforderungen beim Dreh von „Skate the World“?
Eindeutig darin, die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten, dicht gefolgt von der Herausforderung, die finanziellen Mittel – hauptsächlich durch private Sponsoren –  zu bekommen. Das Vertrauen von namhaften Unternehmen wie Breitling und der Volksbank oder auch jungen Firmen wie Athletes Eyewear geschenkt zu bekommen, ist alles andere als selbstverständlich. Umso schöner ist es, wenn das Vertrauen nach so einem gemeinsamen Projekt belohnt wird. Die Drehtage waren kein Zuckerschlecken. Letztendlich sind aber die Erfolge, für die man am härtesten arbeitet und am meisten leidet, oft die nachhaltigsten.

Wer waren deine größten Unterstützer – und wer die größten Zweifler?
Ich habe schnell gemerkt, dass es besser ist, die Idee soweit wie möglich für mich zu behalten, da die meisten, denen ich davon erzählte, Zweifel äußerten. Trotzdem konnte ich auf meinem über sechs Jahre langen Weg zur finalen Umsetzung unzählige Unterstützer finden. Eine Aufzählung würde den Rahmen sprengen. Ich hoffe, dass sich all jene angesprochen fühlen, denen ich für immer dafür dankbar sein muss, dass sie dieses Projekt mitermöglicht haben.

Foto: Thomas Planitzer

Kurz vor dem Absprung aus 4.000 Metern Höhe: Was geht einem da durch den Kopf?
Eine Mischung aus Konzentration und Vorfreude. Man versucht, alle negativen Gedanken auszublenden und sich auf das Positive und den Masterplan zu fokussieren. Ich war in dem Moment nur froh, dass wir es geschafft haben und ich endlich beweisen durfte, dass ich all die Jahre nicht nur fantasiert habe. 

Warum hast du dich entschieden, den Film in Wien zu drehen und nicht auf Reisen?
Die lebenswerteste Stadt der Welt, meine Heimatstadt, in der ich als Kind das Skaten gelernt und meine Karriere im Short-Track-Eisschnelllauf begonnen habe, schien mir der ideale Ort, um diesen großen Traum zu realisieren. Wien bietet unglaublich viel, und wir wollten das in großartigen Bildern einfangen, dabei aber auch auf humorvolle Art präsentieren.

Foto: Chaluk

Wien spielt neben dir die Hauptrolle in „Skate the World“ – die Schönheit der Stadt genauso wie ihre Eigenheiten. Was liebst du an Wien – und was kannst du gar nicht leiden?
An Wien liebe ich vor allem den unverwechselbaren Wiener Charme und den Schmäh, die wunderschönen Sehenswürdigkeiten sowie die Vielfalt der Kultur. Als Skater muss ich natürlich die Donauinsel und die perfekt glatten Gehsteige erwähnen. Was ich an Wien nicht leiden kann ist der Satz: „Das geht nicht.“ Oder: „Hier darfst du nicht skaten.“ Der typische Wiener Grantler neigt dazu, einem den Tag unnötig schwer zu machen, aber mit einem charmanten Wiener Konter auf der Zunge lässt sich auch daraus ein humorvoller Moment machen.

„Skate the World“ ist ja nicht nur ein Kurzfilm, sondern deine Marke. Wie bist du auf die Idee gekommen, in Skates um die Welt zu reisen?
Ursprünglich war ich professioneller Short-Track-Eisschnellläufer und durfte mit meinen Eislaufschuhen für die Teilnahme an Wettkämpfen und Trainingslagern die Welt bereisen. Nach dieser Karriere habe ich das „DailySports“-Magazin herausgegeben und bin über viele glückliche Zufälle zum Reisejournalismus gekommen. Egal, wohin die Reise ging, meine Inlineskates durften nie fehlen. Schnell wurde mir bewusst, dass ich durch die Skates eine ganz eigene Perspektive einer Stadt gewinne und in kürzester Zeit mehr erlebe als zu Fuß. Zusätzlich dienen die Skates als Barrieren-Brecher. Oft werde ich von neugierigen Menschen darauf angesprochen, die mir in der Folge einen authentischen Blick auf ihre Heimat und das Leben vor Ort bieten.  

Du bist Profisportler, Reisejournalist, Pilot – und nun auch Filmemacher. Was kommt als nächstes?
Durch das Projekt in Wien haben sich viele Türen geöffnet, von denen ich bis dahin nicht zu träumen gewagt habe. Jetzt stehe ich vor der Qual der Wahl. Primäres Ziel für die kommenden Wochen ist es, mit dem Kurzfilm auf Roadshow zu gehen und ihn in der Welt zu zeigen. Ich wurde von Unternehmen gebucht, um Vorträge für über das Projekt zu halten. Auf diese neue Herausforderung freue ich mich schon sehr. 

Wenn du dich für eines entscheiden müsstest – Profisportler, Reisejournalist, Pilot, Filmemacher: Was würdest du wählen?
Die Kombination macht den Reiz aus, doch wenn ich mich wirklich festlegen müsste, würde ich mich für die Rolle des Filmemachers entscheiden. Nichts vermag ein Gefühl oder eine Stimmung so präzise zu vermitteln wie ein gut gemachter Dokumentarfilm.

Gretchenfrage: Bist du ein rollschuhfahrender Fallschirmspringer, ein fallschirmspringender Rollschuhfahrer, ein reisender Inlineskater oder ein Inline-skatender Weltreisender?
Ganz klar: ein Inline-skatender Weltreisender. Die Priorität liegt auf dem Entdecken und Erkunden – die Inlineskates sind das perfekte Werkzeug dafür. 

Wie viele Länder und Kontinente hast du mit Skates bereits?
Fünf Kontinente und 63 Länder. Ich wäre gerne der erste Mensch, der auf allen Kontinenten geskatet ist. Ein Kontinent stellt dabei eine besondere Herausforderung dar – aber ich arbeite an einer Lösung. (lacht)

In welchen Ländern ist man besonders gut auf Skates unterwegs?
Die Großstädte in Vietnam waren das perfekte Skate-Erlebnis. Das pure, aber auch kontrollierte Verkehrschaos. Mopeds, wohin das Auge reicht, und alle mit einer ähnlichen Geschwindigkeit, wie es meine Skates zulassen. Wenn man mal müde wird, deutet einem verlässlich jemand, dass man sich einfach am Moped anhalten und ein Stück ziehen lassen soll. Das nenne ich gelebte Gastfreundschaft! Kulturell war der Kontrast zwischen kommunistischem Norden und dem mit Spuren der Amerikaner übersäten Süden am faszinierendsten. 

Meistens machen die Menschen, die man trifft, eine Reise zu etwas Besonderem. Die Vietnamesen sind trotz ihrer harten Vergangenheit sehr offenherzig, geben einem aber zu verstehen, dass sie – wenn notwendig – jederzeit bereit sind, für ihre Freiheit zu kämpfen. Ich empfehle jedem einen Besuch im „War Remnants Museum“ in Ho-Chi-Minh-Stadt. Dort kann man die Auswirkungen und die Brutalität des Vietnamkrieges erfassen. Ich denke, die Welt wäre ein friedlicherer Ort, würde jeder ein Gespräch mit einer der Personen vor Ort führen, die Opfer von Agent Orange, Phosphorbomben oder Napalm wurden. 

Dein verrückteste Erlebnis auf Skates?
Ich war in Addis Abeba in Äthiopien im Stau auf einer vierspurigen Straße im Gegenverkehr unterwegs. Im Augenwinkel nahm ich wahr, dass ein Soldat auf der anderen Straßenseite wild gestikulierte und mich zum Anhalten bewegen wollte. Ich ignorierte ihn gekonnt, was im Nachhinein betrachtet nicht unbedingt meine stärkste Idee war. Jedenfalls hielten mich ein paar hundert Meter weiter Soldaten mit Ak47 ein wenig nachdrücklicher auf. Es dauerte aber keine fünf Sekunden, bis fremde Zivilisten mir zur Seite sprangen und anfingen, mit den Soldaten zu diskutieren. Ich hatte keine Ahnung, worüber gesprochen wurde, bis eine nette Dame sagte: „Don’t worry, if they take you to military prision, I will come with you.“ 

In dem Moment wurde mir ganz anders. Die Situation zog sich lange hin, es kamen immer mehr Soldaten dazu. Irgendwann erschien zu meinem Glück ein ranghoher Soldat, dem ich erklären konnte, was ich Depp hier gerade mache. Der fand das ganz cool und erklärte es seinen Kameraden. Von einer Sekunde auf die andere entspannte sich die Situation – und die Soldaten gaben mir zum Abschied sogar High Fives. Die nette Dame bot mir noch dazu Geld an, damit ich mir ein Taxi zum Hotel nehme, weil sie sich Sorgen machte, dass ich es nicht in einem Stück zurückschaffe. So ein Erlebnis ist „aufregend“, gibt aber auch Hoffnung in die Menschheit!

Ein Land, das du unbedingt noch auf Skates bereisen willst?
Da gibt es viele Länder, aber der Iran steht seit vielen Jahren weit oben auf der To-do-Liste. Ich befürchte nur, dass das aktuell keine gute Idee ist. Ganz allgemein reizen mich Länder, in denen das Leben mit unserem kaum zu vergleichen ist. 

Du bist ehemaliger Profi-Short-Track-Eisschnellläufer und auf Skates unterwegs wie andere in Flip-Flops. Dein Tipp für Leute, die mit Inlineskates beginnen wollen?
Youtube-Tutorials. Auf Youtube kann man beinahe alles lernen. Im Prinzip habe ich zum Großteil auch das Fallschirmspringen und für meinen Pilotenschein mit YouTube gelernt. 

Übergepäck, Sperrgepäck, Handgepäck: Wie fliegt man mit Inlineskates um die Welt?
Ein Aufgabegepäckstück lässt sich kaum vermeiden, mehr braucht es zum Glück nicht. Das ist das Positive an Inline Skates, dass sie eigentlich wenig Platz benötigen und nicht besonders schwer sind. Ich denke, es wird mal Zeit, ein Experiment zu starten und einfach ohne Schuhe und nur in Inline-Skates einen Flughafen und ein Flugzeug zu betreten. Dann braucht es nur mehr einen Rucksack und Glück.  

Kamera, Drohne, Stativ: Du reist immer mit viel Equipment, um dich auf Skates zu filmen. Deine Tipps für Reisende, die auch viel Technik mitnehmen wollen?
Viel Sport als Ausgleich und häufiges Training für den Rücken und die Halswirbelsäule. In den letzten Jahren bemerke ich zunehmend, dass der Rücken am meisten unter überladenen Rucksäcken leidet. Die Antwort lautet: Sport! 

Chinesische Mauer, Taj Mahal, Golden Gate Bridge: Wo landest du als nächstes?
Diese Frage kann und darf ich leider noch nicht beantworten, aber man darf gespannt sein! (lacht)

Eine Frage, die ich nicht gestellt habe, die aber deiner Meinung nach fehlt?
Ja, nämlich: Gibt es für dich ein Vorbild, dass dich inspiriert? Roger Willemsen war eine der schillernden Persönlichkeiten, die mich immer wieder dazu ermutigen, neugierig und offen für das Fremde zu bleiben. In seinen Worten: „Seid Flaneure, lasst euch treiben, benutzt alle Verkehrsmittel, wohnt in jeder Klasse Hotel, redet mit allen, die auf euch zugehen, findet die weiche Stelle in der Fremde, betont im Fremden das Vertraute, seht im vollbärtigen Mann nicht den potenziellen Krieger, sondern den Vater, den Bruder, den Sohn. Und das hilft.“


Zur Person:

Matthias Stelzmüller (32) ist ehemaliger professioneller Short-Track-Eisschnellläufer und als Reisejournalist, Pilot und neuerdings auch Filmemacher in Wien und rund um die Welt unterwegs – natürlich immer auf Inline-Skates. Der Kurzfilm „Skate the World“ feierte im November 2023 seine Premiere in Wien. Mehr Infos auf https://skatethe.world.

♥ Weiterreisen 

„Glücksorte im Salzkammergut“: Die besten Tipps fürs Salzkammergut von Viktoria Urbanek

Top-Restaurants in Hamburg: Ein Hamburger Foodie verrät seine Lieblingslokale

Travel-Talk Leipzig: Interview mit Anne-Katrin Hutschenreuter von „annabelle sagt“

Leinwand-Geschichten rund um den Globus: Die besten Filme bei Sehnsucht nach der Welt

Travel-Talk Hawaii: Interview & Insidertipps für Hawaii

Nord-Irland: Interview und Insidertipps für Belfast und GOT von Eric Nolan

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert