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Flandern für Fortgeschrittene: Antwerpen zwischen Fashionweek und Rotlichtviertel

Das hippe Flair einer Metropole, der verspielte Charme einer Kleinstadt, der raue Humor einer ehemaligen Seemannsregion und spätestens seit den 80er-Jahren dank der berühmten „Antwerp Six“ eine Modestadt: Antwerpen hat viele Gesichter. Die spannendsten Seiten entdeckt man zwischen Liebfrauenkathedrale, Altstadt, Hafenkiez und Rotlichtviertel – auf Entdeckungsreise durch die bunteste Stadt Belgien.

Im Schipperskwartier zeigt sich Antwerpen von seiner ehrlichen und ungeschönten Seite. Das alte Hafenviertel zwischen der pulsierenden Innenstadt und dem schicken Stadtviertel Eilandje ist bekannt als Rotlichtviertel und Kiez der Freudenmädchen. Diese Ecke der Stadt wird gerne mit einem Seemannsviertel von einst verglichen. In Schaufenstern räkeln sich halbnackte Frauen, die Besucher anlocken sollen, allerdings nur in drei Straßen, das ist gesetzlich so geregelt: Nur in der Verversrui, Vingerlingstraat und Schippersstraa ist Prostitution in Antwerpen erlaubt. Das erste Gebäude, in dem das Geschäft mit der Liebe hier startete, ist übrigens das „Villa-Tinto-Lustschloss“.

Wer jetzt denkt, dass das Schipperskwartier ein heruntergekommenes Viertel ist, das Touristen meiden sollten, irrt sich. Diese Gegend der Stadt ist farbenfroh und jung, mit vielen Cafés, Restaurants, Bars und lustigen Sexshops. Nur das Fotografieren sollte man sich hier verkneifen – Fotos von den Frauen hinter den Scheiben sind absolut tabu.

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Antwerpen hat viele Gesichter. Vom Rotlichtviertel geht man nur wenige Minuten in den hippen Kiez Eilandje, wo die Stimmung eine völlig andere ist. Denn auch wenn die Stadt 80 Kilometer vom Meer entfernt liegt, besitzt sie dennoch einen der größten Häfen Europas. Geht man am Ufer der Schelde gen Hafen, entdeckt man so manch kleines Wunder, zum Beispiel die Stadtburg „Het Steen“, das älteste erhaltene Gebäude Antwerpens.

Am Eilandje angekommen ist ein Besuch im MAS, dem „Museum aan de Stroom“ (Hanzestedenplaats 1), ein Muss: Der 62 Meter hohe Museumsturm mit zehn Etagen ist eine Art modernes Völkerkundemuseum. Der Eintritt für das Gebäude, dessen gebogene Glaswände den Wellen der Schelde nachempfunden sind, und das tolle Panoramadach ist frei, der Zugang zum Museum kostet € 5. Von hier hat man den schönsten Blick über Antwerpen.

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Foto: Visit Flanders

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In der Ferne erspäht man die schönsten Dächer der Stadt, die sich im Zentrum malerisch erheben, vor allem die Spitze der berühmten „Liebfrauenkathedrale“ (Eintritt € 5), in der heute noch vier Original-Altarwerke des Barockmalers Peter Paul Rubens hängen. Selbst Kulturmuffel staunen über das gotische Bauwerk, in dem das älteste Buntglasfenster aus dem Jahr 1503 stammt.

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Herz und Zentrum der Stadt findet man am Grote Markt und am Groenplaats, die durch pittoreske Straßen und Gässchen miteinander verbunden sind und wo man zahlreiche der typischen Gilde- und Zunfthäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert sieht. Hier ist auch das süßeste Gässchen Antwerpens: Der Vlaeykensgang (Zugang am Oude Kornmarkt 16) ist schmal wie ein Toreingang und stammt aus dem Jahr 1591.

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Ein völlig anderes Gesicht zeigt Antwerpen, wenn es um Mode geht. Die Stadt ist bekannt als Mekka des nordischen Chics, nicht zuletzt wegen der berühmten „Antwerp Six“, mit deren Geschichte jeder Antwerpen-Besucher irgendwann konfrontiert wird. Es war im Jahr 1986, als sechs Absolventen der Modeklasse an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen zur London Fashion Week aufbrachen. Sie mieteten einen Bus, stopften ihn mit Entwürfen voll und fuhren los. Weil sie zu wenig Geld hatten, teilten sie sich einen Messestand. Der lag in der hintersten Ecke, also verteilten
sie Handzettel, um Aufmerksamkeit zu erlangen: „Come up and see the ,Antwerp Six‘!“ stand drauf. Der Rest ist Geschichte.

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Foto: Visit Flanders

Die sechs Neo- Designer von damals – Dries Van Noten, Ann Demeulemeester, Walter Van Beirendonck, Marina Yee, Dirk Bikkembergs und Dirk Van Saene – haben seither erfolgreich ihre eigenen Linien gegründet, und Dries Van Noten, der bekannteste unter ihnen, hat mit einem geschätzten Umsatz von 50 Millionen Euro und 500 Verkaufsstellen weltweit ein Imperium aufgebaut. Sein Flagship-Store „Het Modepaleis“ (Nationalestraat 16) ist im Herzen des Antwerpener Modedistrikts in einem stilvollen Kaufhaus aus der Belle Époque.

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Foto: Visit Flanders

Nur wenige Schritte weiter liegt das „ModeNatie“ (Nationalestraat 28): Das Gebäude beherbergt unter anderem die Modeabteilung der Kunsthochschule und das Modemuseum, kurz MoMu (Eintritt € 8), mit mehr als 25.000 Objekten. Die sind zwar nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber es gibt wechselnde thematische Ausstellungen zu einem Modedesigner. Übrigens: Wie unkonventionell hier mit Mode umgegangen wird, beweisen manche Projekte der anderen „Antwerp Six“: Walter Van Beirendonck beispielsweise entwarf das Design der Uniformen der Antwerpener Müllmänner. Und Ann Demeulemeester durfte für eine Marienfigur aus dem 15. Jahrhundert ein Kleid schneidern. Seither trägt die Figur in der St.-Andries-Kirche (Sint-Andriesstraat 5) einen bauschigen Federkragen, Fransen und Pailletten.

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Doch so unkonventionell die Mode in Antwerpen sein kann, so vielfältig ist sie auch. Neben den Flagship-Stores der heimischen Designer reihen sich hippe Boutiquen an Concept-Stores, Second-Hand-Shops und Pop-up-Läden. Neben dem Modeviertel rund um die Nationalestraat sind zum Beispiel in der Schutterhofstraat Luxuslabels wie Chanel oder Gucci; in der Meir findet man die Labels der europäischen Ladenketten, die individuelleren Läden in der Klosterstraat nur vier Parallelstraßen weiter. Das Viertel De Wilde Zee indes besteht aus fünf Straßen mit coolen Shops und Lokalen.

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Neben Mode dreht sich in Antwerpen auch viel um Kulinarik. Ob Waffeln, Pralinen oder Pommes: Wer hierher kommt, muss ordentlich futtern. In ganz Belgien gibt es rund 2.200 Schokogeschäfte, im Durchschnitt isst ein Belgier neun Kilo Schokolade pro Jahr. Chocolatier darf sich übrigens nur nennen, wer mindestens 24 verschiedene Sorten produziert. Dazu gehört die geschichtsträchtige Marke „Neuhaus“ (Korte Gasthuisstraat 1), die im Jahr 1912 die erste belgische Praline auf den Markt brachte – damals mit der Idee, bittere Medikamente mit Schokolade zu umhüllen. Wer wagemutiger ist, schaut bei „The Chocolate Line“ (Paleis op de Meir 50) vorbei und probiert Pralinen mit dem Geschmack von schwarzer Olive, Bacon oder gerösteten Zwiebeln. Doch es sind auch die belgischen Waffeln weltberühmt: Die besten gibt’s bei „Désiré de Lille“ (Schrijnwerkersstraat 16), wo seit über 100 Jahren im Familienunternehmen Waffeln (ab € 4) zubereitet werden.

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Wer jetzt etwas Deftiges braucht, sollte das nächste Nationalgericht kosten: Pommes! Die sind besonders lecker und extrem knusprig in Belgien. Geheimnis 1: 
Die Pommes werden immer zwei Mal frittiert. Geheimnis 2: Belgier frittieren nicht in Öl, sondern in Rinderfett. Eine Pommesbude heißt in Antwerpen übrigens „Frituur“ und es gibt rund 5.000 davon in ganz Belgien. In Antwerpen sind zwei zu nennen, die besonders gut, allerdings auch voll sind: „Frituur N°1“ (Hoogstraat 1) und „Frituur Fritkot Max“ (Groenplaats 12), über der sogar ein Pommesmuseum ist, das „Frietkotmuseum“, das mit 150 Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Fotos zeigt, warum die Kartoffelstäbchen hier so wichtig sind.

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Doch keine Sorge, man kann in Antwerpen auch leicht essen, zum Beispiel im „Lombardia“ (Lombardenvest 78), wo auch Stars wie Sting und Moby regelmäßig vorbeischauen. Hier sind fast alle Gerichte bio und vegetarisch. Am berühmtesten ist der Ingwertee „Ginger Love“ (ca. € 5): Das Rezept ist streng geheim – und sehr begehrt: Angeblich hat der Kaffeegigant Starbucks danach gefragt, aber einen Korb bekommen. Zu Recht!

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Wer guten Fisch mag, sollte in der „Fiskebar“ (Marnixplaats 12) einen Tisch reservieren: Der Fisch kommt täglich frisch rein, sodass auf der Karte stets neue Gerichte sind. Richtig gutes Fleisch kreativ interpretiert isst man im alten Hafen im „Felixpakhuis“ (Godefriduskaai 30): Die Gerichte sind zwar ein bisschen teurer, aber unglaublich lecker, zum Beispiel der Felix-Burger um € 18,80. Wer auf Fashion- Food steht, sollte im Sushi-Laden „Ko’uzi“ (Leopold- plaats 12) vorbeischauen: Hier sehen die Maki und Sushi wie kleine, designte Häppchen aus. Und da Belgien auch das Land der Biere ist, sollte man unbedingt die heimischen Sorten ausprobieren. Besonders gut ist das Kirschbier von Kriek, das mit Sauerkirschen gemacht wird und genauso gut wie ein In-Cocktail schmeckt.

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Der Name Antwerpens entstand übrigens nach einer Legende: Ein Riese wohnte in einem Schloss, doch eines Tages schnitt ein Mensch ihm die Hand ab und warf sie in den Fluss Schelde, daher: „Hand-werpen“. Bei „Philip’s Biscuits“ (Korte Gasthuisstraat 11) gibt’s die besten„Antwerpse Handje“: Kekse in der Form einer Hand.


Offenlegung & Infos

Visit Flanders hat mich eingeladen, nach Antwerpen zu reisen. Meine Reportagen wurde in der Zeitschrift miss und im Reisemagazin „Besser reisen“ veröffentlicht.

(Werbung, unbezahlt / Pressereise / Ortsnennung und Verlinkung)

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