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Geheimtipp Centro de Portugal: Roadtrip durch Mittelportugal

Im Westen der Atlantik mit weißen Sandstränden, im Osten sanfte Hügellandschaften und urige Dörfer bis zur Grenze Spaniens: Die Region Centro de Portugal wird seltener bereist 
als Lissabon, Porto oder die Algarve, dabei ist Mittelportugal das am besten gehütete Geheimnis des Landes: Zwischen Bergen und Buchten entdeckt man hier den schönsten Stoff Portugals: den Burel.


Geheimtipp Centro de Portugal: Roadtrip durch Mittelportugal ♥ Lesezeit: 5 Minuten


Das Schaf blökt. Verdutzt schüttelt es sich, ehe es vom Stall zurück auf die Wiese springt. Das Tier hat gerade ein paar Kilo Wolle verloren – und Wolle erzählt hier, im Bergland der Serra da Estrela in Mittelportugal, eine Geschichte zwischen Traditionen und Trends und legt die Basis für eine spannende Reise durch das Centro de Portugal. 

Das Dach von Portugal: Serra da Estrela

Je höher man die kurvigen Straßen auf die Serra da Estrela fährt, desto kühler wird es. Wer will, wechselt die Jahreszeit und fährt in wenigen Stunden vom Strand in den Schnee. Bekannt als das „Dach von Portugal“ ist die Serra da Estrela das höchste Gebirge des Landes. Wo im Winter Einheimische im einzigen Skigebiet Portugals die Piste runterflitzen, blühen im Sommer Heidekraut und Wacholder – und zwischen Gletschertälern, Gebirgsseen und Granitblöcken grasen zufrieden Schafe. Seit rund 3.000 Jahren wird aus ihrer Wolle ein besonderes Gewebe hergestellt: Burel, der älteste handgemachte Stoff aus Portugal. Das Gewebe besteht aus reiner Schafwolle, die gesponnen und verwoben und danach bei großer Hitze verdichtet wird. Das macht Burel extrem strapazier- und widerstandsfähig, gegen Feuer und Wasser genauso wie gegen Kälte und Wärme. Noch heute können Urlauber auf den „Wollpfaden“ wandern: Als „trajectos de lã“ bezeichnet man jene Hirten- und Schafwege, die zwischen den Bergen und den örtlichen Wollfabriken entstanden. 

Centro de Portugal: Manteigas

Burel machte die Region bekannt und prägte schon immer Land und Leute. „Die Menschen hier verbinden die sanfte Brise des Atlantiks mit dem felsenfesten Charakter der Berge“, sagt Ana Maria da Silva Cota, die in Viseu lebt. Doch die Zeiten änderten sich: Früher gab es rund zehn Wollfabriken, dann wurde die Nachfrage weniger. Die Menschen hatten es nicht leicht, doch man kämpfte sich durch. „Die Leute, die in Mittelportugal leben, müssen sich mehr um Chancen bemühen als jene in den größten Städten des Landes“, sagt Ana. Heute hat sich aus der Tradition von einst wieder ein Trend entwickelt. Die Wollfabriken von früher sind zwar geschlossen, Burel hat in den letzten Jahren aber eine Renaissance erfahren. In Manteigas, mitten in der Serra da Estrela, findet man heute die „Burel Factory“ (Rua de Benguela 4), in der Maschinen laufen, die über 100 Jahre alt sind, aber Produkt kreieren, die aktuellen Trends entsprechen. Viele junge Designer kommen nach Manteigas, um dem Rohmaterial in ihren Kollektionen neue Formen und Farbenzu geben. 

Centro de Portugal: Covilhã

Auch in Covilhã, einst eines der wichtigsten Wollproduktionszentren Portugals, ist Burel wieder salonfähig; hier sogar in lässiger Hipstermanier. In den riesigen Hallen von „New Hand Lab“ (Rua Mateus Fernandes) wird die Schafwolle nicht nur verarbeitet, hier gibt’s auch ein fancy Café mit eingegliedertem Concept-Store, wo man die Kollektionen von Designer Miguel Gigante kaufen kann. Er stammt aus Covilhã und entwirft Mäntel, Möbelbezüge, Lampen, Taschen, Kissen, Anstecknadeln und Hüte aus Burel. In den Räumen über der Fabrik finden Künstler aller Art mittels eines Open-Space-Konzepts Raum, ihren eigenen Ideen nachzugehen – im Idealfall haben diese auch etwas mit Burel zu tun. Oft landen diese auch auf den Wänden. In Mittelportugal gibt es eine große Street-Art- Szene. Da Covilhã einst eines der wichtigsten Wollproduktionszentren Portugals war, drehen sich hier auch viele Graffitis um Wolle. 

Centro de Portugal: Coimbra

Doch auch, wenn Wolle bei einem Roadtrip durch Mittelportugal allgegenwärtig ist, entdeckt man auch urige Dörfer und hippe Städte, die etwas anderes erzählen. Zum Beispiel Coimbra: Die größte Stadt im Centro de Portugal ist berühmt für ihre 1290 gegründete Universität und bezaubert mit einer hoch gelegenen Altstadt und einem extrem jungen Erscheinungsbild: Jeder fünfte Einwohner hier ist Student, deshalb wird auch gerne und viel gefeiert. „Hier gibt es eine äußerst lebendige Nachtatmosphäre!“, verrät Ana.


Centro de Portugal: Tomar

Von den kleineren Städten im Centro de Portugal ist vor allem das beschauliche Tomar sehenswert, das am Ufer des Nabão liegt. Die Schönheit der Altstadt ist unübertroffen, mit ihren engen Gassen voller Azulejos, den typischen iberischen Fliesen, und dem
mit schwarz-weißen Rauten ausgelegten großen Praça da República vor dem Rathaus. Die opulenteste Sehenswürdigkeit liegt vor den Toren der Stadt: Das berühmte Christuskloster (Convento de Cristo) gehört seit 1983 zum Weltkulturerbe der UNESCO. 

Centro de Portugal: Aveiro

Noch bunter wird es in Aveiro: Die Stadt liegt an der Küste und wird von Dutzenden Kanälen durchzogen, daher wird sie auch als „Venedig Portugals“ bezeichnet. Statt Gondeln gibt es hier die sogenannten Moliceiro-Boote (Fahrt ca. € 8). Die traditionellen Bemalungen an Bug und Heck verstecken meist erotische Zeichnungen. An den Ufern der Wasserstraßen reihen sich extravagante Jugendstilhäuser, eine gemütliche Altstadt und ein beliebter Fischmarkt mit allem, was die nahe gelegene Küste hergibt.

Centro de Portugal: Costa Nova

Nur wenige Autominuten entfernt liegt der größte Instagram-Hit des Landes: Der Küstenort Costa Nova ist wegen seiner bunt gestreiften Häuser entlang der Uferpromenade bekannt. Diese wurden ursprünglich von Fischern als Geräteschuppen genutzt und in bunten Farben gestrichen, damit man sie vom Meer aus gut sehen konnte.Bereits im 8. Jahrhundert ließen sich erste Fischer in Costa Nova nieder, da sie vermuteten, dass der Zugang zum Meer hier weniger gefährlich sei. Sie begannen, einfache Strohscheuen zu bauen, die sie als Lager nutzen wollten. Um sich von den hellen und ineinander verlaufenden Farben des Sandes und der Küste abzuheben, strich man die Häuser in leuchteten Farben. Als im Laufe des 19. Jahrhundert Baden salonfähig wurde, kamen immer mehr Gäste. Im Verlaufe der Zeit bauten die Fischer ihre Strohscheunen zu bewohnbaren Unterkünfte um – und das ursprüngliche Fischerdorf verwandelte sich in ein Badeurlaubsziel.

Kulinarik in Mittelportugal

Weil Berge und Meer in Mittelportugalso eng miteinander verwoben sind wie die Wolle im Burel, „ist die Lebensqualität so hoch“, ist Ana überzeugt – „die Lebensqualität und die Vielfalt! Man kann schnell von der Atlantikküste in die Berge gelangen, es gibt viel Natur, großartige Weine, tolle Surfstrände, historische Dörfer, Wander- und Radwege – was will man mehr?“ Vielleicht noch essen, denn auch die Küche Mittelportugals hat jede Menge zu bieten: Als Berühmtheit gilt der Bacalhau, getrockneter Stockfisch. Neben dem Stockfisch sind vor allem Ovos Moles bekannt. „Eine Eiersüßspeise aus Aveiro und eine wahre Versuchung aus Zucker und Eiern!“ Laut Ana gibt es eigentlich nur eine Sache, die Touristen im Centro de Portugal keinesfalls machen dürfen: „Eine Diät!“ 


Offenlegung 

Centro de Portugal hat mich eingeladen, nach Mittelportugal zu reisen. Dieser Artikel wurde in gekürzter Fassung in der Zeitschrift miss veröffentlicht.

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